: Woodstock an der Warthemündung
taz-Serie „Polen in einem Tag“ (Teil 9): Das kleine Kostrzyn setzt alles auf die Karte Event-Tourismus. Dazu zählen nicht nur der Wiederaufbau der zerstörten preußischen Festung Küstrin und der geplante Themenpark „Krieg der Sterne“, sondern auch das größte polnische Openair-Festival
Je kleiner ein Ort, desto größer seine Träume. Warum soll nicht einmal das ganz große Ereignis kommen, das Mega-Event, das dem kleinen Ort den Weg in eine große Zukunft weist?
Im Rathaus von Kostrzyn hat man sich inzwischen auf solche Träume spezialisiert. Den Weg zur Hauptstadt des Event-Tourismus nahm das 17.000-Einwohner-Städtchen an der Mündung der Warthe in die Oder bereits kurz nach der politischen Wende im Jahr 1989. Es waren die Ruinen der ehemaligen Preußenfestung Küstrin, die plötzlich der Öffentlichkeit zugänglich waren und Geschichtsversessene wie Abenteurer gleichermaßen anzogen. Seitdem gehört das „preußische Pompeji“ zu den touristischen Höhepunkten einer ansonsten eher wenig sehenswerten Stadt.
Preußisches Pompeji
Dass das „Pompeji“ inzwischen Konkurrenz aus der eigenen Stadtverwaltung bekommen hat, tut der Sache bislang keinen Abbruch. „Virtual Kostrzyn“, der lange geplante Wiederaufbau der preußischen Festung im postmodernen Stil, ist bislang nämlich am mangelnden Interesse der Investoren gescheitert. So wird die Festung noch eine Weile bleiben, was sie ist: eine Ruine.
Und ein Event. Vom 19. Juni bis zum 31. August wird auf den Trümmern des preußischen Militarismus ein Kunstspektakel der besonderen Art stattfinden. „Dialog loci“ heißt das Festival, zu dem die Initiatoren Marek Pisarsky und Anne Peschken 20 internationale Künstler eingeladen haben, um die Ruine in eine Freiluftinstallation zu verwandeln.
Zumindest an einem Wochenende in diesem Jahr steht das Ruinenevent aber nicht im Rampenlicht. Am 30. und 31. Juli findet in Kostrzyn nämlich Woodstock statt oder, wie es in Polen heißt: „Przystanek Woodstock“ – „Haltestelle Woodstock“. Bislang gastierte Polens größtes Underground-Openair-Festival in Żary. Doch diesmal, das geben die Organisatoren ganz unumwunden zu, hatte die Stadt Kostrzyn das bessere Angebot vorgelegt. So werden also eine halbe Million Festivalbesucher nicht mehr nach Niederschlesien pilgern, sondern an die Warthe, wo sie nicht nur dutzende Bands erwarten, sondern auch eigens trainierte Polizeibeamte, mobile Bankautomaten, eine Handelsmeile, und das alles auf freiem Feld. Chapeau!
Star Wars an der Oder
Kostrzyn wäre allerdings nicht Kostrzyn, wenn die Träume nicht noch höher in den Himmel ragten. Oder besser: zu den Sternen. Das ambitionierteste aller Kostrzyn-Events ist nämlich ein Themenpark frei nach George Lucas’ „Krieg der Sterne“. Hier Woodstock, dort Krieg? Kein Problem. Hauptsache, das Ganze findet auf der polnischen Seite statt. Und da hatten die findigen Marketingfachleute der polnischen Grenzstadt ein gewichtiges Argument. Deutschland war nämlich gegen den Irakkrieg, Polen dafür. Dass man mit einem Standort an der Grenze dann doch aufs deutsche Publikum schielt, wer will es verübeln?
Noch ist der Coup nicht in trockenen Tüchern. Kaum hatte eine polnische Zeitung die Pläne von George Lucas veröffentlicht, ließ der amerikanische Regisseur dementieren. Die Stadtverwaltung von Kostrzyn aber hat das Projekt nicht abgeschrieben. Sie gibt sich vielmehr ganz geheimnisvoll und lehnt mit dem Verweis auf eine „Schweigepflicht zu diesem Thema“ jede Stellungnahme ab. UWE RADA
Kostrzyn erreicht man mit der Regionalbahn stündlich ab Berlin-Lichtenberg.www.dialogloci.orgwww.wosp.org.pl/przystanek/2004