: Schwere Gefechte fordern neue Opfer
Bei mehreren Rakatenangriffen der israelischen Armee werden 16 Palästinenser im Gaza-Streifen getötet. In Israel werden die Stimmen für einen Abzug aus Gaza lauter. Friedensorganisationen planen für Samstag eine Großdemonstration in Tel Aviv
AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL
Die Auseinandersetzungen zwischen israelischen Soldaten und bewaffneten Palästinensern eskalieren weiter. Drei Tage nach Beginn einer auf Waffenwerkstätten zielenden Militäroperation im Gaza-Streifen starben gestern früh 16 Palästinenser bei mehreren Raketenangriffen. Am Vorabend war ein Truppentransporter unweit der ägyptischen Grenze getroffen worden.
Die sterblichen Überreste von sechs am Dienstag getöteten israelischen Soldaten wurden unterdessen an die Streitkräfte übergeben, wie Sprecher des Islamischen Dschihad und der Al-Aksa-Märtyrerbrigaden mitteilten. Nach palästinensischen Angaben wurden die Leichen an den Grenzübergang Eres gebracht.
Der hohe Blutzoll, den die jüngsten Auseinandersetzungen der israelischen Armee abverlangten, sowie die Tatsache, dass die Zahl der seit Beginn der Al-Aksa-Intifada vor knapp vier Jahren getöteten Israelis diese Woche über eintausend stieg, intensiviert die Debatte über Sinn und Unsinn der Besatzung vor allem im Gaza-Streifen. Die auflagenstärkste Tageszeitung Yediot Achronot zitierte in ihrer gestrigen Schlagzeile den Schauspieler Schlomo Wischinsky, dessen Sohn am Vortag gefallen war.
Wischinsky machte die Likud-Mitglieder für den Tod des 20-Jährigen verantwortlich, weil sie gut eine Woche zuvor mehrheitlich gegen eine Aufgabe des Gaza-Streifens votiert hatten. „Ich bedaure, in einem Land zu leben, das von den Mitgliedern des Likud regiert wird“, so der trauernde Vater.
Israelische Friedensorganisationen nahmen, der parteiinternen Abstimmung gegen den Scharon-Plan folgend, eine Kampagne auf. Unter dem Motto: „Die Mehrheit entscheidet! Raus aus Gaza – Verhandlungen aufnehmen“, wird am kommenden Samstagabend eine erste große Demonstration vor dem Tel Aviver Rathaus stattfinden.
Zu den Veranstaltern gehören die Arbeitspartei, die Kibbuzbewegungen und die Unterzeichner der Genfer Initiative. Der Dachverband der jüdischen Siedler „Jescha“ rief zu einer Verschiebung der Demonstration auf. Sie wie geplant stattfinden zu lassen käme einem „zynischen Missbrauch“ der trauernden Familien gleich.
Nahezu einstimmig drängen die israelischen Tageszeitungen in ihren Kommentaren auf einen Abzug. Auch wenn die Palästinenser einen schnellen Abzug aus Gaza als Feigheit interpretieren könnten, schreibt Yediot Achronot, bedürfe es bisweilen „großen Mutes, um das Image des Feigen nicht zu scheuen“. Schärfer formuliert die liberale Ha’aretz: „Der jüngste Horror in Gaza signalisiert einen neuen Countdown.“ Die Tageszeitung Ma’ariv konzentriert sich unterdessen auf Vergleiche zum Südlibanon. Es sei reine Zeitverschwendung, die Parallelen verwischen zu wollen: „Was wie Libanon aussieht, wie Libanon riecht und wie Libanon blutet, ist Libanon. Gaza ist Libanon.“
Ähnlich wie vor fünf Jahren, als die über die zahlreichen Gefallenen erboste israelische Öffentlichkeit letztendlich die Regierung zu einem einseitigen Abzug brachte, hofft die Friedensbewegung darauf, ihren Einfluss erneut wirksam werden zu lassen. Stabschef Mosche Yaalon lehnte indes den Vergleich ab: „Wir werden gegen die terroristische Infrastruktur in Gaza kämpfen, solange dort Terror existiert.“ Gaza mit dem Libanon vergleichen zu wollen sei „schlichtweg falsch“.