: Die starken Bundesländer verlangen immer mehr Befugnisse
Wenn die Politik die Kunst des Zusammenlebens ist, dann steht die Kommission zur Reform des Föderalismus vor großen Herausforderungen
BERLIN taz ■ Diese Kommission soll Deutschland wieder flott machen. Letzten Oktober setzten Bundestag und Bundesrat gemeinsam eine Kommission zur Reform des Föderalismus ein. Sie soll einerseits dafür sorgen, dass der Bundesrat nicht bei fast allen bedeutenden Reformen blockieren kann. Im Gegenzug sollen die Länder, die in der Gesetzgebung kaum noch eigene Kompetenzen haben, wieder mehr selbst regeln können.
Schon bis zum Sommer will die Kommission, die unter dem Doppelvorsitz von Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und SPD-Fraktionschef Franz Müntefering tagt, ihre Vorschläge vorlegen. Bis zum Ende des Jahres sollen Bundestag und Bundesrat dann die nötigen Verfassungsänderungen beschließen. Ein ehrgeiziges Programm, ein ehrgeiziger Zeitplan.
Bisher sieht es allerdings nicht so aus, als ob die Kommission die hochgesteckten Erwartungen erfüllen könnte. Und das liegt vor allem an den Ländern. Auf verfahrensbezogene Veto-Rechte des Bundesrats wollen sie nur verzichten, wenn die Länderkammer dafür allen Gesetzen zustimmen muss, die „erhebliche Kostenfolgen“ für die Länder haben. Das beschlossen die Ministerpräsidenten auf einer Konferenz in der letzten Woche. Doch der Bund lehnt diesen Ansatz, der weit über das bisherige Recht hinausgeht, rundweg ab. Laut Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hätten wir am Ende noch mehr zustimmungspflichtige Gesetze als heute.
Der Eindruck liegt nahe, dass die Länder durch solche Scharmützel vor allem von ihren inneren Schwierigkeiten abzulenken versuchen. Denn die geplante Entflechtung von Bund und Ländern ist vor allem für wirtschafts- und finanzstarke Bundesländer, etwa Baden-Württemberg und Bayern, interessant. Sie können so ihre Eigenstaatlichkeit stärken und haben auch eine ausreichend leistungsstarke Ministerialbürokratie. Kleinstaaten oder die armen Staaten in Ostdeutschland könnten mit neuen Aufgaben schnell überfordert sein. Notwendig wäre deshalb eine Länderneugliederung, die ungefähr gleich starke Einheiten schaffen würde. Doch so etwas steht in der Kommission überhaupt nicht zur Debatte.
Als Kompromiss brachte die Länder-Seite den Vorschlag auf, dass Länder, die dies wünschen, künftig Bundesgesetze abwandeln können. Von dieser Möglichkeit dürften vor allem starke Länder Gebrauch machen, während schwache Länder bei der Bundesregelung bleiben würden. Doch der Autonomiegewinn für manche Bundesländer würde die Unübersichtlichkeit der deutschen Gesetzgebung nur erhöhen. Ein Flickenteppich von parallel geltenden Bundes- und Landesgesetzen wäre die Folge.
Immerhin einen Streitherd haben die Ministerpräsiden vorige Woche entschärft. Die Länder verzichteten auf den Vorschlag, dass sie die Höhe der Steuern durch Hebesätze selbst festlegen können. Ein Zugeständnis an die finanzschwachen Länder, die fürchteten, dass die starken Staaten vor allem über Steuerdumping versuchen, ihren Standort interessant zu machen.
Letztlich ist die Föderalismuskommission selbst ein Test dafür, ob Deutschland reformfähig und -willig ist. Gelingt es, den Bundesstaat wirksam zu entflechten, dann ginge auch vieles andere leichter. CHRISTIAN RATH