: Kunst für die Mars-Maus
Die Düsseldorfer Musiker von mouse on mars haben zum 10jährigen Geburtstag Mitstreiter in die Kunsthalle eingeladen. Die Ausstellung „doku/fiction“ lebt von der Spannung zwischen den Sparten
VON PETER ORTMANN
Am ersten Kunstwerk rennt der Besucher der Düsseldorfer Kunsthalle fast zwangsläufig vorbei. Ein winziges Paßfoto eines Unbekannten und eine kleine Bleistiftzeichnung an der Wand sind der imaginäre Eingang in eine gigantische Graphit-Wandzeichnung des Karlsruher Künstlers Daniel Roth eine Etage höher, in dessen Mitte ein Kopfhörer hängt, eingestöpselt in die weiße Fläche, zu hören sind merkwürdige Geräusche von kratzenden Stiften und reibenden Radiergummis, gesampled von der Düsseldorfer Elektronik-Avantgarde-Band „mouse on mars“, die den Impuls für die Ausstellung „doku/fiction“ gab.
Eine Dekade lang haben die beiden Rheinland-Turn-Tables Jan St.Werner und Andi Toma experimentelle, elektronische Musik produziert, gemixt im selbst gebauten Tonstudio in der Landeshauptstadt und sie haben es damit sogar in die Charts und neue amerikanische Musiksender geschafft, weil sie nicht nur absolut neu, sondern auch wegweisend für Musikerkollegen und Videoproduzenten gewesen sind und bleiben. Für die Ausstellung in der Kunsthalle haben sie über 30 Künstler und Wissenschaftler eingeladen, die irgendwie Bezüge zu „mouse on mars“, oder sich mit ihrer Musik auseinander gesetzt haben, oder einfach nur Weggefährten auf dem Ritt in den Elektro-Himmel gewesen sind. Die Ausstellung, die noch bis Ende Juni erfahren werden will, wird von ungewöhnlichen Musik- und Performance-Erlebnissen begleitet – nächsten Mittwoch erklären die Kölner F.X.Randomiz (Musiker) und Olaf Karnik (Autor) in einem dialogischen Vortrag die Historie elektronischer Klangerzeugung und ihrer künstlerischen Verfahren mit Audio-Beispielen und Vorführung ausgewählter Geräte.
Die Plattform dafür lieferte die Künstlerin Silke Schatz, sie baute aus Presspan eine originale Kopie des einst angesagtesten Plattenladens der Domstadt, an dem sich die Szene traf, Informationen oder Platten tauschte. Nackt und grünlich lackiert steht der 3. Raum rechts des ehemaligen Souterrain alter a-musik Ladens von der Brüsseler Straße im Museum und leistet seinen Dienst als Bühne.
Mit Presspan arbeitet auch der junge Belgier Jan de Cock. Er hat im Vorbereitungsprozess die KünstlerInnen nach ihren Bedürfnissen befragt und wunderbare Innenräume für die sonst oft verloren wirkenden kleinen Arbeiten geschaffen. Der Künstler hat bereits bei der vom ehemaligen dokumenta-Chef Jan Hoet kuratierten 5. artline in Borken für Furore gesorgt, als er eine aufgegebene Bankfiliale mit seiner Schreinerarbeit umwidmete. In der Kunsthalle ziehen sich de Cocks „Module“, Bilderserien in kleinen Holzrahmen, als roter Faden durch die Ausstellung. Er hat sie selbst an zahlreichen, hängetechnischen Un-Orten platziert. Direkt neben einem Feuerlöscher, unsichtbar hinter einer Durchgangstür oder über einen Türrahmen hinaus, „eine Greueltat für jeden Museums-Puristen“, wie Kurator Peter Gorschlüter schmunzelnd beim Rundgang durch die Stockwerke bestätigt.
Viele der Künstler haben sich videotechnisch den „Loops“ verschrieben, eine immer wiederkehrende „Schleife“, die akkustisch in der elektronischen Musik durch die rasant fortschreitende digitale Technik zum Standard geworden ist. Die Berliner Künstlerin Heike Baranowsky zeigt drei Projektionen. In „Out of the Blue“ loopen F19 Bomber, aufgezeichnet in Afghanistan, immer wieder die selben Kondensstreifen über die amerikanische Wüste. Im De Cock-Kasten nebenan dröhnen rotierende Waschmaschinen-Motoren meditativ gesampled aus dem Kopfhörer. Der Grieche Soulis Moustakidis hat „mouse on mars“ bei ihrer Arbeit im Studio aufgenommen und mischt sie unter laufende Küchenmaschinen: künstlerisches Modulationing, Morphing, Sampling – Jan St.Werner und Andi Thoma können mit ihrer artifiziellen Geburtstags-Session zufrieden sein. Schon wegen des absolut überzeugenden Katalogs mit CD! und dem außergewöhnlichen Rahmenprogramm ist die Reise nach electronic city Düsseldorf empfehlenswert.
doku/fiction
Kunsthalle Düsseldorf
bis 27. Juni 2004
Infos: 0211-8996240