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Archiv-Artikel

DIE SCHWEIZ BLEIBT EIN PARADIES FÜR STEUERHINTERZIEHER Freibrief ohne Verfallsdatum

Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: „Mit den Waffen der EU“, titelt das Schweizer Zentralorgan Neue Zürcher Zeitung (siehe „die anderen“), habe man die Chefunterhändler der Europäischen Union in Brüssel geschlagen. Das Ergebnis: Die Schweiz gehört zwar nun zum Schengen-Raum – aber Steuerhinterzieher dürfen sich in der Alpenrepublik bis in alle Ewigkeit sicher fühlen. Selbst wenn sich die EU-Staaten demnächst darauf verständigen sollten, Steuerflüchtlinge auch dann ins Herkunftsland auszuliefern, wenn sie sich nach dem Recht des Gastlandes nur einer Ordnungswidrigkeit schuldig gemacht haben – die Schweiz bleibt das letzte Steuerparadies.

Der Ausflug zum eigenen Nummernkonto dürfte sich in Zukunft sogar noch entspannter gestalten, da die Schweiz Teil des Schengen-Raumes wird und damit alle Grenzkontrollen wegfallen. Der Hochglanzprospekt mit sonnenbeschienenen Alpengletschern und freundlichen Almburschen könnte demnächst so oder ähnlich Touristen anlocken: „Bringen Sie ruhig die alte Erbtante mit, wenn Sie Ihr Schließfach besuchen! Grenzübertritt ohne Herzrhythmus-Störungen wird garantiert: Für den Inhalt Ihrer Koffer interessiert sich an der Grenze keiner mehr.“

Den Unterhändlern auf Seiten der EU wäre es sicher lieber gewesen, wenn die Schweizer ihren Verhandlungstriumph gestern nicht so laut hinausposaunt hätten. Wer lässt sich schon gern als Depp hinstellen, der mal so richtig über den Tisch gezogen worden ist. Die neuen Mitgliedstaaten dürften der Botschaft besonders aufmerksam gelauscht haben: Nur wer ein Paket schnürt, wer also seine Gesprächspartner mit einem Junktim zwischen zwei inhaltlich völlig getrennten Verhandlungszielen erpresst, kann es in der Union zu was bringen, lautet die Botschaft aus Zürich und Bern.

Bitter ist die Sache vor allem für Luxemburg. Zwar behalten auch Luxemburg, Belgien und Österreich ihr Bankgeheimnis. Doch für Steuerhinterzieher klingt das längst nicht so überzeugend wie der Schweizer Freibrief ohne Verfallsdatum.

DANIELA WEINGÄRTNER