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Archiv-Artikel

daumenkino Bollywood/Hollywood

Multitumulti

Bollywood meets Hollywood: Auf neutralem Boden, im kanadischen Toronto, lässt die indischstämmige Regisseurin Deepa Mehta zwei Filmindustrien aufeinander treffen.

Die Handlung um den Sohn einer reichen Hindi-Familie, der die Falsche liebt, könnte aus Bombay oder auch aus den Hollywood-Schmachtfetzen der Fünfzigerjahre stammen. Doch aufgepasst, schreit uns dieser Film mit etwas penetranter Ironie entgegen: Hier geht es nur um das Spiel mit formelhaften Dramaturgien, kitschigen Versatzstücken und einem Arsenal voller Knallchargen.

Für Mehta ist es der dornenreiche Weg zur Wolke Nummer sieben, der das Kino auf beiden Seiten der Erdkugel ausmacht. Schade nur, dass man dabei nicht dessen übliche visuelle Umsetzung geboten bekommt: Trotz farbenprächtiger Kleidung, Luxussetting und Stretchlimousinen bleiben die Bilder seltsam blass, und die Tänze des Bollywood-Kinos werden in pragmatischer US-Manier in verdauliche Häppchen gepackt. In Mehtas „Bollywood/Hollywood“ beschneiden sich die Genres eher, als in einer genüsslichen Überhöhung der Überhöhung aufzugehen. Schließlich entwickelt das Keuschheitsgebot des populären indischen Kinos seinen ureigenen Reiz, gerade weil jegliche Annäherung in samtige Pas de deux hinübergleitet. Bei Mehta jedoch beschränkt sich der Hollywoodanteil auf eindeutige Posen, was die Sache nicht prickelnder macht.

Wohl aus Hilflosigkeit müssen noch weitere regionale Klischees herangezogen werden. Auf dem russischem Rücken der Köchin werden deftige Witze gerissen, wenn sie mit slawischem Akzent und östlichem Trinkcharme den Chauffeur an die üppige Brust nimmt. Immer wieder holt Mehta zu solchen multikulturellen Keulenschlägen aus: Die Hindi-Oma zitiert unentwegt Shakespeares Königsdramen, beim ersten Rendezvous werden Liebesgedichte von Pablo Neruda ausgetauscht, und in Sues Zimmer hängt ein Plakat von Atom Egoyans Film „Exotica“. Ihrer derart hybriden Hommage verpasst Mehta noch eine billige Metaebene: Der wild mit der Videokamera herumfuchtelnde Bruder des Bräutigams erkennt im Geschehen noch pausenlos Filmzitate aus Bollywood-Klassikern – während sich der Zuschauer aus dem wilden Gewurschtel längst geistig zurückgezogen hat.

ANKE LEWEKE

„Bollywood/Hollywood“. Regie: Depa Mehta. Mit Rahul Khanna u. a. Kanada, 103 Min.