: Gesucht: bester Lese- und Schreibunterricht
Langzeitstudie zum „Schriftspracherwerb von Grundschulkindern nichtdeutscher Herkunftssprache“ testet Lernerfolge. Förderprogramm „DaZ“ zeigt erste Erfolge. Zu hoher Anteil von Migrantenkindern in Klassen schwächt Leistung
Je größer der Anteil von Kindern nichtdeutscher Herkunftssprachen in ersten Grundschulklassen ist, desto schwächer sind die Leistungen der Schüler. Positiv wirkt sich auf das Leistungsniveau der gesamten Klasse jedoch der Unterricht von Lehrkräften aus, die im Fach „Deutsch als Zweitsprache“ (DaZ) geschult sind – auch für deutschsprachige Kinder. Dies sind erste Zwischenergebnisse der Langzeituntersuchung zum „Schriftspracherwerb von Grundschulkindern nichtdeutscher Herkunftssprache“.
Nach einem halben Jahr Projektphase hat ein Team der Freien Universität unter Leitung von Hans Merkens und Agi Schründer-Lenzen eine erste Testrunde durchgeführt. Gestern stellten sie gemeinsam mit Schulsenator Klaus Böger (SPD) die Zwischenergebnisse vor. Der Test läuft seit Herbst und soll über vier Jahre hinweg die besten Unterrichtsmethoden zum Erwerb von Lesekompetenz für Schüler mit Migrationshintergrund ermitteln.
Böger kündigte an, die DaZ-Fördermaßnahmen verstärken zu wollen. Bei der Frage nach einer neuen Regelung für die Klassenmischung von Kindern nichtdeutscher und deutscher Herkunft befinde man sich noch in einem „Prozess des Nachdenkens“, sagte er. Eine vorgeschriebene Quotierung lehnt der Schulsenator jedoch ab. Professor Merkens plädierte dafür, das System auf einen Ganztagsunterricht umzustellen, der Freizeit und Lernzeit stärker integriere und dadurch den Spracherwerb verbessere.
Die Studie testet als weltweit erste ihrer Art über einen längeren Zeitraum halbjährlich Lernerfolge der Kinder in den Bereichen Lesen, Rechtschreiben, Mathematik und ab Klasse 2 auch in Sachkunde. Die Ergebnisse sollen auch den Lehrkräften als Arbeitshilfe dienen. Wie Merkens betonte, könnten aus diesen ersten Ergebnissen aber noch keine Schlussfolgerungen für die Praxis abgeleitet werden. „Es handelt sich um Tendenzen, die sich abzeichnen, sich allerdings erst in mehreren Testdurchgängen bestätigen müssten.“
Im Mittelpunkt der aktuellen Testreihe standen vor allem zwei Modelle des Schriftspracherwerbs, die an Berliner Schulen praktiziert werden. Zum einen der so genannte Fibelunterricht, bei dem einzelne Buchstaben nacheinander gelehrt werden. Er kommt verstärkt im Ostteil der Stadt zum Einsatz. Zum anderen stehen die Erfolge des Spracherfahrungsansatzes auf dem Prüfstand. Dieses Modell vermittelt die Alphabetisierung nach der Lauterfahrung. Schreiben nach Hörerfahrung. Nach der ersten Testrunde könnten keine Aussagen getroffen werden, welches Modell erfolgreicher ist, erklärte Merkens. „Fest steht momentan, dass beide Modelle für sich genommen bei den Tests gut abschneiden.“
Insgesamt nehmen 26 Berliner Grundschulen mit 59 Klassen an der Studie teil. Lokal konzentriert sich die Testreihe auf die so genannten schulischen Brennpunkte der Stadt – Wedding, Mitte, Tiergarten, Kreuzberg oder Neukölln –, in denen der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund mit 70 Prozent weit über Berliner Durchschnitt liegt. SUSANNE LANG