eject : SILKE BURMESTER über Paul Weller, diesen Versager
What Have They Done To My Song, Ma?
Dies ist der Moment, den kein Redakteur erleben will: Die Autorin liefert etwas anderes ab als abgesprochen. Das hat natürlich seinen Grund. Und der Grund ist: Die Autorin regt sich gerade ganz furchtbar auf. So richtig. So innerlich. So zum Aus-der-Haut-Fahren. Die Autorin ist nämlich enttäuscht worden. Von ihrem Helden. Vom Helden der Popkultur. Vom Helden einer ganzen Generation. Von Paul Weller.
Paul Weller ist ein Versager. Ein Weichei. Ein Nachgeber. Ein stinkender englischer Slipper-Träger. [Das habe ich schon immer geahnt, Anm. d Red.] Er hat einen unverzeihlichen Fehler gemacht: Er hat seinen Jam-Song „Town Called Malice“ an die Werbeindustrie verkauft! Irgend so ein beschissener silberner japanischer Wagen fährt zu den großartigen Klängen dieses legendären Songs durch den Fernseher der Autorin!
Nun mag man sagen, die Alte solle mal den Ball flach halten. [Die Alte soll mal den Ball flach halten, Anm. d. Red.] Ist doch nicht so schlimm. Machen doch alle. Ja, klar machen das alle. Ist auch schlimm genug, dass das alle machen. Und ganz schlimm ist es, wenn die Erben es tun und John Lennons „Imagine“ zum Rausch der Wasserwerke erklingt, Nick Drake einen Golf oder Janis Joplin einen Mercedes musikalisch begleiten muss. Das ist schon ganz schön schlimm. Aber mit ein bisschen Glück kriegen die das ja nicht mehr mit. Liegen in ihrem Himmelbett. Aber die anderen, die, die noch denken können? Und die Rede ist nicht von denen, die ihren Namen für einen Golf „Rolling Stone“ oder „Bon Jovi“ zur Verfügung stellen. Es geht um diejenigen, die ihre Haltung ein paar LPs länger bewahrt haben. Die versucht haben, dem Kapitalismus eine andere Kultur entgegenzustellen. Es geht um Leute wie Joe Strummer von The Clash, deren „Should I Stay Or Should I Go“ half, Jeans zu verkaufen, den Jungs von den Stranglers, die ihre Musik Adidas und Bäcker Kamps zur Verfügung stellten.
Bei der Hörzu hatte man, als die Autorin noch ein kleines Mädchen war, die Idee, eine Zeichnung anfertigen zu lassen, wie Marilyn Monroe wohl mit 60 Jahren aussähe. Das war vor dem Zeitalter der Computerprogramme eine große Aufgabe mit einem beschissenen Ergebnis – es hatte etwas Entwürdigendes. Dies ist kein Plädoyer für den frühen Heldentod. Dafür ist es bei Paul Weller eh zu spät. [Leider, Anm. d. Red.] Aber es ist ein Plädoyer dafür, dass mal irgendjemand auf dieser Welt trotz fortschreitenden Alters bei seinen Idealen bleibt. Dass mal irgendjemand dabei bleibt, dass Heiraten Scheiße ist und die Bild-Zeitung böse. Dass mal irgendwer auf ein paar Kröten verzichtet, um kein korrumpiertes Arschloch zu werden. Dass mal irgendjemand Paul Weller auf die Fresse haut. Die Autorin hat jetzt echt schlechte Laune. Ich glaube, sie muss sich was kaufen. [Ich komm mit! Anm. d. Red.]