: Miliardenvergleich an Wall Street
Weil sie bei Börsengängen während des Booms getäuscht worden sind, sollen Anleger in den USA nun eine Milliarde Dollar von den verklagten Firmen bekommen. Das Geld gibt’s aber erst, wenn auch die beteiligten Investmentbanken mitmachen
aus New York HEIKE WIPPERFÜRTH
In der größten Sammelklage in der Geschichte der Wall Street haben gestern mehr als 300 Firmen einem Vergleich zugestimmt. Sie wollen eine Milliarde US-Dollar an Anleger bezahlen, die ihre Aktien während des Börsenbooms von 1998 bis 2000 gekauft haben. Das ist eine der größten Summen, die jemals von einer Sammelklage gegen Wall Street gewonnen wurde.
Doch aufatmen können die Anleger noch lange nicht. Denn laut Abkommen – dem bislang noch nicht alle Beteiligten zugestimmt haben – bekommen sie keinen Cent, bis es auch zu einem Vergleich mit den 55 Investment-Banken gekommen ist, die die Firmen an die Börse gebracht haben.
In Klage ging es um unsaubere Praktiken bei Börsengängen. Anleger, die Aktien in umworbene Neuemissionen zugeteilt bekamen, sollen heimlich dazu verpflichtet worden sein, mehr Aktien zu höheren Preisen zu kaufen. Analysten sollen die Preise mit ihren geschönten Empfehlungen weiter nach oben getrieben haben.
Der Vergleich gibt Anlegern die Garantie, dass sie mindestens eine Millarde ausgezahlt bekommen – von allen 309 Firmen zusammen. Die Rechtsanwälte hoffen auf weitere Millionen aus den Taschen der Banken. Im Gegensatz zu den Firmen haben sich die Banken bis jetzt jedoch geweigert, sich mit den Rechtanwälten der Gegenseite an einen Tisch zu setzen. In Zukunft könnte ihnen das schwerer fallen. Denn die Firmen haben sich auch bereit erklärt, den Anwälten der Anleger gegen die Banken zu helfen. Sie wollen Dokumente zur Verfügung stellen, die den Rechtsanwälten helfen könnten, ihre Vorwürfe gegen die Banken zu beweisen. Heerscharen von Anwälten werden in den nächsten Monaten die E-Mail-Verzeichnisse und Archive der Banken nach Marketingmaterial, Handelsunterlagen und Dokumenten, die die Verteilung der Aktien aufschlüsseln, durchstöbern.
Beinahe wäre es nicht so weit gekommen. Als vor zwei Jahren die ersten Klagen eingereicht wurden, urteilte das Gericht, es gehe ja um nichts als „Klatsch und Tratsch“. Gewicht bekamen erneute Klagen erst, als Crédit Suisse First Boston im Januar in einem Vergleich mit der Aufsichtsbehörde SEC ein Bußgeld von 100 Millionen Dollar bezahlen musste. Die Firma soll von ihren Kunden bei heißen Börsengängen eine saftige Provision kassiert haben. Im Februar entschied ein Gerichtsurteil in der Sammelklage, dass die Banken trotz ihres Einspruchs auch weiterhin neben den Firmen auf der Anklagebank sitzen müssen. Es sieht ganz „nach einem zusammenhängenden Plan der Banken, Firmen und Bosse aus, öffentliche Anleger zu betrügen“, hieß es in dem 238 Seiten langen Urteil. Nur zwei Monate später verdonnerten die Aufsichtsbehörden zehn Wall-Street-Firmen wegen geschönter Aktienanalysen zu einem Vergleich von 1,4 Milliarden Dollar. Danach ist es den Banken ab jetzt verboten, die Aktien von Neuemissionen für eine kleine Gruppe von Chefs und Direktoren zu reservieren.