: Kein Liebling mehr
Hamburgischer Anwaltverein bangt um die eigene Zunft: Juristenschwemme steht fehlender Nachfrage gegenüber
Der Hamburgische Anwaltverein bangt um die Perspektiven seiner Zunft – es gibt einfach zu viele Anwälte. Innerhalb der vergangenen zwölf Jahre hat sich die Zahl der Anwälte in Deutschland auf rund 127.000 verdoppelt, sagte der Vorsitzende des Hamburgischen Anwaltvereins, Dietrich Wenke, im Vorfeld des Deutschen Anwaltstags, der an Himmelfahrt am Donnerstag in Hamburg eröffnet wird. Dabei sei der Bedarf an Rechtsberatung nicht gestiegen, stellt Wenke eine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage fest und sagt: „Man muss bundesweit von einer Anwaltsschwemme sprechen.“
Daher seien vor allem allein arbeitende Anwälte von der Pleite bedroht; und von solchen „Einzelkämpfern“ gibt es eine ganze Menge. Allein in Hamburg machen sie gut die Hälfte der rund 7.000 Anwälte aus, sagte Wenke, der auch im Bundesvorstand des Deutschen Anwaltvereins sitzt. „Es gibt einfach nicht genug Mandanten für alle“, zeigt er das Problem auf. Lediglich im Europa-, im Sozial- und im Gastronomierecht sieht er für Rechtsanwälte künftig noch gute Chancen, Nischen zu besetzen.
Abhilfe für Anwälte in finanziellen Schwierigkeiten will der Deutsche Anwaltverein nun mit einer kollegialen Insolvenzberatung schaffen: Spezialisierte Anwälte helfen Kollegen bei der Bewältigung ihrer Finanznöte, sagte Wenke. Eine Besserung der Situation erwartet er erst mit dem Ende der Wirtschaftsflaute, eventuell ab dem kommenden Jahr: „Dann können wieder mehr Jura-Absolventen statt der Anwaltslaufbahn einen Job in der freien Wirtschaft einschlagen.“
Die Qualität der Beratung hat indes noch nicht unter dem starken Konkurrenzkampf gelitten, meinte Wenke. Wenn die Zahl der Anwälte jedoch weiter steige, bestehe die Gefahr, dass die Juristen zunehmend Fälle übernähmen, auf die sie eigentlich nicht spezialisiert seien. LNO/TAZ