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Archiv-Artikel

Mehr Effizienz beim Verhör

Das Pentagon räumt ein, 25 Anfragen für „besondere“ Verhörmethoden genehmigt zu haben. Dabei arbeiteten Militär und Geheimdienst zusammen

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Die Hinweise verdichten sich, dass der Folterskandal im irakischen Gefängnis Abu Ghraib nicht das Resultat einzelner irregeleiteter US-Soldaten ist, wie die US-Regierung weiterhin behauptet, sondern in einer systematischen Politik der Pentagon-Führung und der Militärspitze begründet ist.

Die Militärpolizisten in Abu Ghraib handelten demnach bei der Folter von Gefangenen auf Grundlage einer geheimen Anweisung, die von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld persönlich abgesegnet wurde. 2003 habe dieser einen streng geheimen Befehl des für Nachrichtendienste zuständigen Unterstaatssekretärs Stephen Cambone zu verschärften Verhörmethoden gebilligt, berichtet die aktuelle Ausgabe des Politmagazins The New Yorker.

Kommandoeinheiten vor Ort durften demnach Verdächtige sofort und gegebenenfalls unter Einsatz von Gewalt in geheimen CIA-Einrichtungen verhören. Die Informationen seien an das Pentagon weitergegeben worden. Besonders brisant: Das Programm habe nach Abgaben des Blatts auch Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice gebilligt, Präsident Bush sei informiert gewesen.

Der Artikel des preisgekrönten Journalisten Seymour Hersh basiert auf Interviews mit ehemaligen und aktiven Geheimdienst-Mitarbeitern. Sie berichten, Rumsfeld habe 2003 beschlossen, Verhörtechniken, die in Afghanistan bei der Jagd nach Al-Qaida-Terroristen eingesetzt worden seien, auf irakische Gefängnisse auszuweiten. Wesentlicher Grund war, dass al-Qaida seine Aktivitäten auf den Irak ausdehnte und die US-Streitkräfte wenig Erfolge im Kampf gegen die Terroristen verzeichnen konnten. Hersh zitiert Geheimdienstoffiziere, die Rumsfelds Anweisung mit den Worten zusammenfassen: „Schnappt euch die, die ihr braucht, und macht mit ihnen, was ihr wollt.“

Das Pentagon wies den Bericht des New Yorker zurück. Der Artikel sei „haarsträubend, verschwörerisch, voller Fehler und anonymer Vermutungen“, erboste sich ein Sprecher. Niemand habe ein derartiges Programm gebilligt. Überdies hieß es aus dem Ministerium, die bisherigen Vorschriften hätten die Genfer Konvention nicht verletzt. Die bekannt gewordenen Missbrauchsfälle hatten aber gegen alle damals geltenden Regeln verstoßen.

Doch es waren nicht nur diese Vorwürfe, denen sich das Verteidigungsministerium am Wochenende ausgesetzt sah und die den Druck erhöhen. Nach Informationen der Washington Post bat der militärische Geheimdienst den Oberbefehlshaber der US-Truppen im Irak, General Ricardo Sanchez, besonders harte Verhörmethoden anwenden zu dürfen, um das Schweigen von Gefangenen zu brechen. Die Technik mit dem Namen „Fear up harsh“ sollte die Angst der Gefangenen erhöhen. Den Geheimdienstlern wurde erlaubt, Militärpolizisten einzuspannen, die gewöhnlich keine Rolle bei Verhören spielen.

Obwohl Sanchez eine Stellungnahme bislang verweigert, hatte das Pentagon letzte Woche eingeräumt, dass er seit vergangenen Oktober vom Militärgeheimdienst 25 Anfragen für „besondere“ Verhörtechniken erhalten und abgesegnet habe. Allerdings ordnete Sanchez vor wenigen Tagen an, dass diesem Wunsch nicht mehr stattgegeben werde.

Der General ist auch Autor eines Memos vom Oktober 2003, dass eine „Harmonisierung“ der Arbeit von Militärpolizei und Geheimdienst fordert, um die „Effizienz der Verhöre zu maximieren“. Er soll im November auch autorisiert haben, die Gefängnisabschnitte von Abu Ghraib, in denen die Misshandlungen stattfanden, dem Geheimdienst zu unterstellen und damit der Befehlsgewalt der Leiterin des Gefängnisses, Janis Karpinski, zu entziehen.

Dass die US-Soldaten offensichtlich wussten, wie man muslimische Häftlinge besonders erniedrigen kann, hat zu der Annahme geführt, dass die Foltermethoden nicht nur das Werk einzelner US-Soldaten gewesen sein können. Experten, Kommentatoren und Abgeordnete sind immer mehr der Ansicht, dass die Misshandlungen Ergebnis einer aus dem Ruder gelaufenen aggressiven Verhörpolitik sind, die die oberste Pentagon-Hierarchie anwies. Demnach habe der US-Militärgeheimdienst die Gewalt gegen Häftlinge nicht nur toleriert, sondern auch bewusst den Rahmen dafür geschaffen. Der Skandal sei zudem erst möglich geworden durch die direkte Zusammenarbeit zwischen Militärpolizei und Geheimdienst – eine in der US-Geschichte einmalige Praxis, die bisher vermieden wurde.