Unter Querdenkern

Wirkung gering, Symbolik enorm: In seiner sechsten Auflage müht sich der „Hamburger Dialog“, die Krise von Medien- und Werbebranche als beendet wegzureden. Schuld ist ohnehin die Bundespolitik, und die macht ihre Fehler bekanntlich in Berlin

von Alexander Diehl

Denen auf der Bühne fiel es auch schon auf. „Das haben wir doch im letzten Jahr schon besprochen“, unterbrach Moderator Giovanni di Lorenzo (Der Tagesspiegel) den Agenturgeschäftsführer Holger Jung (Jung von Matt). „Das stimmt, und darüber werden wir wahrscheinlich auch im nächsten Jahr wieder sprechen.“ Worum es da gerade ging? Eigentlich nebensächlich. Denn dieser erste Programmpunkt des gestern beginnenden sechsten Medienkongresses „Hamburger Dialog“, eine muntere Podiumsdiskussion mit „Top-Referenten“, trug im Ganzen die Züge eines Déjà-vu. Vielleicht symptomatisch für die Veranstaltung insgesamt.

Neben di Lorenzo und Jung saßen da auf der Bühne: Dagmar Reim, ehemals Landesfunkhauschefin des NDR in Hamburg und heute Intendantin des RBB in Berlin; Dieter Ammer, Vorstandsvorsitzender der Tchibo-Holding; Manfred Braun, „höchstrangiges, nichtdynastisches Mitglied“ (di Lorenzo) der Geschäftsführung des Bauer-Verlags; Verleger Florian Langenscheidt und Gunnar Uldall, Hamburgs Wirtschaftssenator.

Allem Optimismus zum Trotz, wie er sich im diesjährigen Motto „Profit of Ideas“ widerspiegeln mag: Einer erklärten Schnittstelle von Wirtschaft und Medien, von Werbung, Unternehmen und Politik wie dem „Hamburger Dialog“ muss es auch 2004 noch um die Krise gehen. Und vielleicht, damit jene Malaise, in der zu befinden sich die Medienbranche seit einigen Jahren bescheinigt, wegen genau dieser Regelmäßigkeit ihren Schrecken einzubüßen droht, muss es – wenigstens im Vorbeigehen – um die große Krise dieses Landes gehen: den Reformstau. „Die großen Probleme“, so Jung später, „sind nicht Ergebnis der letzten drei Jahre.“

So befasst sich der diesjährige „Hamburger Dialog“ also mit Aufbruchsstimmung, mit der „Wirksamkeit neuer Wege“, mit Querdenkern und Innovatoren. Der nüchterne Ammer forderte ein, es müsse doch hierzulande möglich sein, dass eine Regierung wenigstens eine Sache zu Ende bringe – und sei sie „in der Wirkung gering, aber in der Symbolik wichtig“. Ein Schelm, wer da an Parteipolitik dachte, als die Forderung nach den „fehlenden“ und „dringend erforderlichen Weichenstellungen“, an Berlin und die Bundesregierung gerichtet, aus dem Mund von Wirtschaftssenator und „Dialog“-Schirmherr Gunnar Uldall (CDU) erklang. Der ließ sich gerne für sein zehn Jahre altes „radikal einfaches“ Steuermodell als Visionär bauchpinseln und spielte ansonsten seine Lieblingsrolle: Sollten bei der offiziellen Kongress-Eröffnung Handelskammer-Vizepräses Nikolaus W. Schües und Bürgermeister Ole von Beust tatsächlich noch einen altbekannten Textbaustein über die „Wachsende Stadt“, den „Medienstandort“ oder die „Ankerbranchen“ Medien und IT unberührt gelassen haben – Uldall lieferte sie nach.

Schließlich ließ er die anwesenden Entscheider und Budgetverwalter noch wissen, Kritik auch seitens der Medien perle an ihm ab, und erklärte das mit seinem Alter „weit jenseits der 60“. Interessant wurde es, als Uldall, wie zuvor bereits von Beust, „die Medien“ um eine nicht wesentlich präziser gefasste „Verantwortung“ ersuchte: Die Zeichen für einen Aufschwung stünden gut, aber der Protest gegen die allenthalben dringend benötigten Reformen „wird lauter kommuniziert als die Notwendigkeit zur Veränderung“ – so hatte es eingangs der Bürgermeister formuliert. Die solchermaßen unausgesprochen eingeforderte staats- oder auch stadtbürgerliche Verpflichtung quittierte RBB-Intendantin Reim mit der Formel vom „Sonntagswort von der Medienverantwortung, das auch mal am Montag gesprochen werden kann“. Weniger andächtig dürfte es abends zugegangen sein, als die vom Tagesprogramm erschöpften Kongressteilnehmer – erwartet wurden bis zu 1.200 – sich zur traditionellen „Media Night“ zusammenfanden.

Der „Hamburger Dialog“ wird heute im CCH fortgesetzt; www.hamburger-dialog.de