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Archiv-Artikel

berliner szenen Berlin Mitte

Frauen auf dem Markt

Trotz hoher Arbeitslosenquoten finden Frauen in Berlin noch immer vielerlei Verwendung. Auf der Oranienburger Straße in Mitte zum Beispiel boomt nicht nur die Prostitution, auch in Sachen Politik haben Frauen hier beträchtliche Aufstiegschancen.

Neulich Abend knallte es vor meiner Wohnung laut. Insgeheim freute ich mich darüber, da all meine Nachbarn, deren Existenz nicht belegt war, auf ihren Balkons erschienen: Ein Cabriolet klebte an einer hell erleuchteten Straßenbahn. Der Fahrlässige hatte scharf ausweichen müssen, weil sich rechts ein parkender Freier mit einer Prostituierten unterhielt. Ich fragte mich, warum es immer Sportwagen sind, und wurde erst stutzig, als der Typ aus dem Cabrio die Prostituierte blöd anmachte – „Fuck you, bitch!“ –, die da einfach nur ihren Job tat. Aber klar – Jungs müssen zusammenhalten, und im Schoß dieser Nutte lag die Schuld freilich besser beherbergt!

Die politische Karriere der Frau ist vor allem rhetorischer Natur. Am nächsten Morgen jubelte eine linke Demo die Oranienburger entlang: „Mann und Frau – gegen den Sozialabbau“, dröhnte es aus dem Megafon. Wieder wurde die Frau instrumentalisiert, diesmal für einen billigen Reim. Immerzu war es eine Männerstimme, die da schrie, bis ihr demonstrativ emanzipiertes „liebe Genossinnen und Genossen“ ein bisschen lächerlich wirkte. Auf einem Transparent las ich zuerst „Fuck the Rich!“, es entpuppte sich dann etwas feiner als „Tax the Rich!“, aber darauf reimt sich „Fuck the Bitch!“ – jawohl, auch ich habe dazugelernt. Der Marsch hatte die Oranienburger schon fast verlassen, nur von weitem hallte noch ein langweiliges „Wir brauchen kein Europa!“. Das ist schade, dachte ich, denn Europa war eine Frau. MARION DICK