: Die Schundbehörde lebt
Die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ indiziert seit 50 Jahren. Das wird sich leider nicht ändern
Sacher-Masochs Buch „Venus im Pelz“ oder die Platte „Debil“ von den „Ärzten“ – das sind nur zwei der rund 15.000 Jugendverbote, die die Prüfstelle im Laufe ihres Bestehens ausgesprochen hat: Steilvorlagen für jeden Zensurgegner. Andere Länder kommen ohne staatliche Bevormundung prima zurecht; Verbote machen erst recht neugierig, abgesehen davon, dass sie im Internetzeitalter wohl eher uneffektiv sind.
Aber ein Land bekommt eben genau die Behörden, die es verdient. Deutsche sehen es nicht ungern, dass sich wenigstens eine staatliche Stelle um den scheinbaren medialen Unrat kümmert, wenn schon alle anderen ihr Wertebewusstsein verlieren: „Anything goes“, was zählt, sind Eyecatcher, die ihre Produkte an die Medienkonsumenten bringen wollen. Gut, dass es da Bundesprüfer gibt.
Die Sorge um das Wohl der Jugend regte sich gleich nach Kriegsende. Als ob die Wirklichkeit nicht jugendgefährdend genug gewesen wäre, regte F. J. Strauß bereits 1949 ein „Bundesgesetz gegen Schmutz und Schund“ an, was viele angesichts der allgemeinen Notlage als ziemlich absurd empfanden. Am 18. Mai 1954 war es doch so weit und die Bundesprüfstelle mit gerichtsähnlicher Funktion gegründet. Seitdem machen es sich Berufsbesorgte in ständig wechselnder Gremienbesetzung unter der Leitung ihrer derzeitigen Vorsitzenden, Elke Monssen-Engberding, zur Aufgabe, gefährdungsgeneigte Halbwüchsige vor „Schmutz und Schund“ zu bewahren, indem sie bis auf Tageszeitungen und Radio-/TV-Sendungen alle Medienobjekte „indizieren“ können.
Nach Jahrzehnten des spießigen Herummäkelns an blanken Busen werden heute keine von der Freiwilligen Selbstkontrolle freigegebenen Filme oder PC-Spiele mehr indiziert, es landen kaum noch Comics auf dem Index, und man konzentriert sich eher auf rechtsextreme Inhalte. Bedenklich bleiben jedoch die gerichtlichen Totalverbote der Prüfstelle wie „Braindead“, „Tanz der Teufel“ oder „Texas Chainsaw Massacre“. Und aktuelles Beispiel: der Splatter „Blood Feast“ von 1963 (!) – obwohl die Filmwissenschaft alle genannten Werke als Kunst einstuft. Selbst Frank Trebbins Filmlexikon „Die Angst sitzt neben Dir“ (als CD-ROM) darf nicht mehr gehandelt werden.
Statt auf eine Förderung der Medienkompetenz setzt man hierzulande beim mündigen Bürger immer noch auf die normative Kraft des faktischen Totalverbotes. Daran wird sich so schnell wohl nichts ändern, der nächste Werte-Backlash hat sich ja bereits angekündigt.
ROLAND SEIM