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Archiv-Artikel

Schily ärgert Grüne schwarz

Rot-Grün streitet weiter um die Zuwanderung: Schily will die Nachfrage beim Verfassungsschutz zur Pflicht machen – die Grünen sehen darin keinen Nutzen

BERLIN taz ■ Eigentlich sollte der Kanzler den endlosen Streit um das Zuwanderungsgesetz schnell beenden und einen letzten, persönlichen Einigungsversuch mit der Opposition starten. Noch im Mai. Darauf hatte man sich in der rot-grünen Koalitionsrunde vor zehn Tagen geeinigt, nachdem die Grünen aus den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss ausgestiegen waren. Doch seitdem ist nichts passiert. Regierungssprecher Hans-Hermann Langguth sah sich auch gestern nicht in der Lage, einen Termin für die angekündigten „Sondierungsgespräche“ mit der Union zu nennen oder Angaben über den Teilnehmerkreis zu machen. Wie in Berlin zu hören war, wollen Gerhard Schröder und CDU-Chefin Angela Merkel den Ausgang der Bundespräsidentenwahl am Sonntag abwarten.

Je länger das Spitzentreffen auf sich warten lässt, desto mehr Gelegenheiten bieten sich für die Kontrahenten auf allen Seiten, ihre Konflikte öffentlich auszutragen – auch innerhalb der Koalition. „Die Debatte läuft weiter, als wenn es zwischendurch keine politischen Entscheidungen gegeben hätte“, stellte Grünen-Chefin Angelika Beer gestern fest. Wohl wahr. Die Union legt immer neue Forderungen auf den Tisch, und bei den Antworten darauf geraten sich Innenminister Schily (SPD) und die Grünen in die Haare.

Aktueller Anlass ist eine Forderung von CDU und CSU nach einer „gesetzlichen Verpflichtung zur Regelanfrage beim Verfassungsschutz“ – nicht nur vor der Einbürgerung von Ausländern, sondern auch vor Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, also eines Aufenthaltsrechts auf Dauer. Anders als bisher sollen sich die zuständigen Beamten in all diesen Fällen beim Verfassungsschutz erkundigen müssen, ob der Antragsteller etwas auf dem Kerbholz hat. „Ich bin dafür, dass wir das machen“, erklärte Schily bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts. „Wir sind dagegen“, sagte Grünen-Fraktionsvize Christian Ströbele der taz.

Es sei ihm bewusst, dass sein Koalitionspartner die Forderung der Union „etwas kritischer“ sehe, sagte Schily. Schon jetzt gebe es die Möglichkeit für die Ausländerbehörden, beim Verfassungsschutz nachzufragen, räumte Schily ein. Er halte es jedoch für sinnvoll, „in das Gesetz eine Verpflichtung aufzunehmen“. Auf Nachfrage erklärte er, dies gelte auch für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Trotz der grünen Bedenken glaube er, dass eine solche Gesetzesverschärfung „nicht der Stolperstein“ für eine Einigung werde.

Bei den Grünen sieht man das, kaum überraschend, anders. „Das ist mit der grünen Auffassung zum Zuwanderungsgesetz nicht zu vereinbaren“, betonte Ströbele. Die von Schily befürwortete Pflicht zur Nachfrage beim Verfassungsschutz nannte er „eine total übertriebene Maßnahme, die den Geruch hat, dass alle Ausländer Verdächtige sind“.

Der Verhandlungsführer der Grünen, Volker Beck, sprach von einer „polemischen Forderung“. Er sieht in der Regelanfrage „keinen Gewinn für die Sicherheit“, weil alle öffentlichen Stellen bereits nach geltendem Recht verpflichtet seien, sicherheitsrelevante Informationen an die Ausländerbehörden zu melden. Von der Pflicht zur Regelanfrage gehe dagegen „eine schlechte gesellschaftspolitische Botschaft“ aus, so Beck zur taz, „weil man damit sagt, jeder Ausländer ist ein potenzielles Sicherheitsrisiko“.

LUKAS WALLRAFF