: Freude und Wut über Walsum
Das endgültige Aus der Zeche Walsum im Jahr 2008 empört die Kumpel und freut die Bergabaugegner. Diese wollen aber trotzdem um jeden Monat einer früheren Stilllegung kämpfen
von ALEXANDER FLORIÉ
Die Nachricht von der bevorstehenden Schließung der Zeche Walsum Ende 2008 schlug gestern morgen auf dem Werk wie eine Bombe ein. Rund 1.000 Kumpel füllten schon um sechs Uhr die Lohnhalle, um von DSK-Chef Bernd Tönjes die Informationen über die Einigung von rot-grün im Bund über die Steinkohlesubventionen vom Vortag zu hören. Die Reaktion: Wut und Zorn: „Ich will ganz offen sagen: Die Treiber sind die Grünen“, schimpfte der Walsum-Betriebsrat Michael Hörning. Enttäuschung herrsche auch bei all diejenigen, „die uns was anderes versprochen haben.“ Moron, Müntefering und Schartau wollten jetzt wohl die Kröte schlucken, erregte sich Hörning.
Anschließend machten sich fünf Busse mit Kohlekumpeln auf den Weg vor die Essener RAG-Zentrale und machten dort ihrem Ärger Luft: „Das ist frech von der Landesregierung, eine politische Entscheidung zu treffen. Es sollte eine Entscheidung der RAG sein, nicht die der Politik“, meinte Kumpel Werner Menzel. “Wie soll es denn hier weitergehen, bei 4,4 Millionen Arbeitslosen, und dann noch wir oben drauf – wo sollen wir da hin ? Siemens plant ja auch die Abwanderung“, empört sich Bergmann Lutz Kreise. Über diese Frage habe sich niemand Gedanken gemacht.
Die Stimmung bei den Gegnern des Kohleabbaus schwankte zwischen verhaltener Freude über das Erreichte und Enttäuschung über den Zeitpunkt des Kohlestopps: „Das ist ein Teilerfolg für uns“, beurteilte der stellvertretende Vorsitzende der Bürgerinitiative Bergbaubetroffener (BiB) Reiner Lenau die rot-grüne Entscheidung. Hemmungslose Freude wollte aber nicht aufkommen: „Das ist viel zu wenig, es wird ja weiterhin unter dem Rhein abgebaut“, konstatierte der Walsumer Werner Weitkämper als Betroffener des Kohleabbaus. „Die Einflüsse auf das Trinkwasser in Dinslaken kommen weiter auf uns zu“, meinte die Betroffene Britta Dieckmann.
Ähnlich äußerte sich auch der Vorsitzende der BiB, Klaus Friedrichs: „Das ist nur ein fauler Kompromiß! Er soll den Sozialdemokraten, die sich für Walsum eingesetzt haben und den Bergleuten drei Jahre lang etwas anderes über die Zukunft des Bergwerks gesagt haben das Gesicht wahren.“ Dennoch sei es ein politischer Sieg. „Wer hätte schon vor drei Jahren gedacht, einen bis 2019 genehmigten Kohleabbau soweit herunterzubringen?“ Die Auswirkungen aber blieben bestehen. „Der Widerstandswille ist da ungebrochen“, so der BiB-Chef. Man werde um jeden Monat weiter kämpfen und versuchen, den Abbau vorher zu Ende zu bringen.
Kurz vor Ruhr-Redaktionsschluss kam die Entscheidung der NRW-Landesregierung: Auch das rot-grüne Düsseldorf bestätigt Walsums Ende 2008. Die Landeszuschüsse für die Steinkohle sollen, wie im Düsseldorfer Signal festgelegt, jährlich um 35 Millionen gekürzt werden. Für den energiepolitischen Sprecher der Landesgrünen, Reiner Priggen, eine vernünftige Lösung: „Wir können nicht alles auf einmal erreichen.“