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Archiv-Artikel

Kampage für die Freilassung Bovés

Der zu zehn Monaten Haft verurteilte französische Bauerngewerkschaftler ist der Held dieses Sommers. Diejenigen, die sich jetzt für ihn einsetzen, haben unterschiedliche Motive. Präsident Chirac kann Bové begnadigen – vielleicht am Nationalfeiertag

aus Paris DOROTHEA HAHN

Wenn Sie einen Satz suchen, um in diesem Sommer in Frankreich Gespräche einzufädeln, sollten Sie diesen erwägen: „Libérez José Bové.“ Denn die Befreiung des schnauzbärtigen Bauern, der gegen den Fraß von McDonald’s kämpft und der genmanipulierte Pflanzen aus dem Boden rupft, ist überall ein Thema. Zwar halten nicht alle Franzosen José Bové für einen neuzeitlichen Helden. Aber eine Meinung zu ihm haben sie auf jeden Fall. Speziell, seit am Sonntag vergangener Woche um sechs Uhr früh Polizisten in seinen Bauernhof auf dem Hochplateau Larzac eingebrochen waren, um ihn wie einen gefährlichen Terroristen per Hubschrauber in das Gefängnis Villeneuve-lès-Maguelone zu verfrachten.

Bové soll zehn Monate im Gefängnis bleiben. Dazu ist er rechtskräftig verurteilt. Wegen der wiederholten Zerstörung von Feldern, auf denen genmanipulierte Pflanzen angebaut wurden. Doch eine deutliche Mehrheit von Franzosen findet, dass Bové nicht hinter Gitter gehört. Die Unterstützung hat ganz unterschiedliche Motive. Für die einen ist Bové vor allem ein gewerkschaftlicher Aktivist. Für andere ist er Kämpfer gegen die ungebremste liberale Globalisierung. Oder ein Symbol des zivilen Ungehorsams. Oder ein Verteidiger einer originalen französischen Landwirtschaft. Bloß Innenminister Nicolas Sarkozy rechtfertigt laut seine Inhaftierung: „Es ist gar nicht einzusehen, dass ein rechtskräftig Verurteilter in Freiheit bleibt, bloß weil er fließend Englisch spricht und den Journalisten gefällt.“

Die UnterstützerInnen von Bové demonstrieren jetzt täglich irgendwo in Frankreich zu Gunsten von Häftling „Nummer 22377 Y“. Der beliebteste Ort ist der Gefängnisvorplatz von Villeneuve-lès-Maguelone. Vor dem Gittertor haben Kamerateams Stellung bezogen. Sie filmen Mitglieder der Bauerngewerkschaft Confédération Paysanne, die sich aus Solidarität anketten, interviewen SprecherInnen der Oppositionsparteien PS und KPF, die aus Paris anreisen, lassen GenforscherInnen zu Wort kommen, die in wissenschaftlichen Instituten jene Pflänzchen entwickelt haben, die Bové dem Vorsorgeprinzip zuliebe ausgerissen hatte. Auch sie treten für Bovés Freilassung ein. Begründung: „Er hat die Zivilgesellschaft sensibilisiert.“

Bové ist der Star dieses Sommers. Die Zeitung L’Humanité hat eine tägliche Kolumne eingerichtet, in der seine Lebensgefährtin über ihren Alltag ohne ihn berichtet. Und Le Monde lässt den Gefangenen selbst im Interview aus der Zelle erklären, dass er gar nicht daran denke, vor Staatspräsident Jacques Chirac auf den Knien zu rutschen und ihn um Begnadigung zu betteln.

Der Einzige, der Bové jetzt noch davor bewahren könnte, seine komplette Strafe abzusitzen, ist Chirac. Mehrere hunderttausend Menschen haben ihn bereits schriftlich um Begnadigung des Bauerngewerkschafters ersucht. Viele FranzösInnen rechnen damit, dass Chirac sich am 14. Juli, dem Nationalfeiertag, generös zeigen könnte. An diesem Tag gewähren französische Staatspräsidenten traditionell Amnestien für geringfügige Strafen.

Auf den Straßen Frankeichs bereiten die AktivistInnen unterdessen ein dreitägiges Politfestival vom 8. bis 10. August auf dem Hochplateau Larzac vor: „für José“ und „für eine andere Welt“. Bovés FreundInnen wollen sich nicht nämlich nur für seine Freilassung einsetzen, sondern sie wollen zugleich verhindern, dass sich ausgerechnet der Staatspräsident, der mehrere abgebrochene Parteispendenermittlungen hinter sich herzieht, damit schmücken kann. Einer ihrer Lieblingsslogans lautet deswegen: „Chirac en prison. Bové à la maison“ – Chirac ins Gefängnis, Bové nach Hause.