: Grimms wahre Märchen
Bayern Münchens Manager Uli Hoeneß bestätigt, was er lange Zeit nicht zugeben wollte: Der Verein trennt sich nach den Fehlschlägen der aktuellen Saison vorzeitig von seinem Trainer Ottmar Hitzfeld
AUS MÜNCHEN JOACHIM MÖLTER
Für einen Fußball-Bundesligaverein, der ein Unternehmen aus der Kommunikationsbranche zum Hauptsponsor hat, wirbt der FC Bayern München derzeit eher kontraproduktiv. Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge verrät seine neue Handynummer nicht, der Trainer Ottmar Hitzfeld hat sein Mobiltelefon ausgeschaltet, der Manager Uli Hoeneß sagte lange Zeit gar nichts mehr zu niemandem und der Aufsichtsratschef Franz Beckenbauer nur zu denjenigen etwas, die ihn dafür bezahlen, der Bild-Zeitung zum Beispiel oder dem Fernsehsender Premiere. Nur der Kommunikationsdirektor Markus Hörwick kommuniziert noch, aber bloß das Nötigste. Auf die Frage, ob es etwas zu sagen gebe angesichts der neuesten Meldungen in Sachen Trainerwechsel, antwortete Hörwick am Dienstag morgen noch: „Nein!“
Dann zeigte sich Uli Hoeneß doch noch gesprächig und gab in einem heute erscheinenden Interview mit der Münchner Abendzeitung das zu, was Boulevardzeitungen schon gestern kolportiert hatten. Es habe am Montagabend ein Treffen zwischen Manager Hoeneß und Trainer Hitzfeld bei Hoeneß zu Hause in Ottobrunn gegeben; dabei habe Hitzfeld von seinem Vorgesetzten im Auftrag der Bayern-Bosse erfahren, dass sich der Klub von ihm trennen will. „Sie haben es ihm endlich gesagt!“, überschrieb die Bild-Zeitung ihren Bericht. „Ich habe Ottmar die Erklärung gegeben, und die hat er auch akzeptiert“, bestätigte Hoeneß das, was sowieso schon jeder wusste oder glaubte zu wissen: dass der FC Bayern München nicht mehr mit Ottmar Hitzfeld als Cheftrainer in die nächste Saison gehen will, sondern lieber mit Felix Magath.
Die Münchner Zeitung tz hatte das schon vor zwei Wochen als beschlossene Sache gemeldet, danach wiederholte immer mal wieder jemand anders diese Nachricht aufgrund neuer Indizien und Indiskretionen, zuletzt war es am Montag die Fachzeitschrift kicker: „Perfekt! Felix Magath kommt ab Juli“. Was Markus Hörwick zu der viel sagenden Replik veranlasste: „Dinge sind perfekt, wenn der FC Bayern etwas bekannt gibt.“ Nachdem nun zwar der Abschied von Ottmar Hitzfeld perfekt ist, der FC Bayern aber noch nichts über die Nachfolge bekannt gab, darf man davon ausgehen, dass noch nicht alle Details der Personalrochade perfekt sind. Neben der Höhe der Abfindung für Ottmar Hitzfeld, dessen Vertrag bis zum 30. Juni 2005 galt, spielt wohl vor allem die Höhe der Ablöse für Felix Magath eine Rolle, der beim VfB Stuttgart genauso lang gebunden ist. Angeblich stehen Hitzfeld 4,5 Millionen Euro zu bis zum Ende seiner Vertragslaufzeit, für Magath fordert der VfB dem Vernehmen nach 4 Millionen – in der Summe wird das der teuerste Trainerwechsel der Bundesliga-Geschichte. Da wird wohl noch etwas gefeilscht.
Am Dienstag flog Ottmar Hitzfeld erst einmal mit der Mannschaft nach Győr, wo ein Bayern-Sponsor ein Spiel gegen den dortigen ungarischen Erstligisten anberaumt hat; und am Samstag beim abschließenden Bundesliga-Heimspiel gegen den SC Freiburg wird Hitzfeld vermutlich auch noch auf der Trainerbank sitzen. Er muss ja aus rechtlichen Gründen seine Arbeitskraft anbieten, und das wird er so lange tun, bis alle Modalitäten zu seiner Zufriedenheit geklärt sind. Hitzfeld ist in keiner schlechten Position, in dem ganzen Theater spielt er eindeutig die beste Rolle. „Man muss bewundern, wie er mit der Situation umgeht, das ist unglaublich“, sagte Mittelfeldspieler Michael Ballack.
Auf ganz andere Weise unglaublich geht das Triumvirat an der Spitze des Klubs mit der Situation um: Seit Wochen mobbten Beckenbauer und Rummenigge gegen Hitzfeld, nur Uli Hoeneß schien den Trainer weiterhin beschäftigen zu wollen. Jetzt ist der Manager derjenige, der am meisten Glaubwürdigkeit verloren hat. Anfang Mai hatte er bekräftigt, dass Ottmar Hitzfeld seinen Vertrag beim FC Bayern bis zum 30. Juni 2005 erfüllen werde; alles andere sei „Blödsinn, totaler Unfug, Grimms Märchen“, sagte er damals. Angesichts der sofort einsetzenden Debatte, ob ein Trainer mit ablaufendem Haltbarkeitsdatum genügend Autorität innerhalb der Mannschaft behalte, sagte er: „Ich glaube, dass wir stark genug sind, dieses Thema ein Jahr lang durchzuziehen.“ Aber schon jetzt, zwei Wochen und zwei Niederlagen später, machen die mächtigen Männer beim FC Bayern einen ganz schwachen Eindruck.