piwik no script img

Archiv-Artikel

Eighties-Voyeurismus

Bei „Best of Formel Eins – Die Show“ soll es um Pop und Rock ‘n‘ Roll gehen – tut es aber nicht

VON JOSEF WINKLER

Wir sollen uns bitte nicht verhalten wie bei einer Volksmusiksendung, sondern wie beim Rock ’n’ Roll, schärft uns Pit Weyrich ein und erntet Zustimmung der MittdreißigerInnen im Bavaria-Studio in Unterföhring. Es ist zehn Minuten vor Live-Aufzeichnung und er der Produzent. Aber weiß denn Weyrich, wie man sich im Rock ’n’ Roll verhält? Hat je irgendjemand gewusst im deutschen Fernsehen, wie man sich im Rock ’n’ Roll verhält?

Vielleicht ja. Früher mal. Vielleicht sogar wirklich die Leute von „Formel Eins“. Seit Wochen läuft auf Kabel 1 „Best of Formel Eins“, und einige Ausschnitte zeigen, dass da einmal Raum für Spontaneität und einen Hauch Anarchie war im deutschen Pop-TV. Jetzt ist 80s-Nostalgie und die Aufzeichnung von „Formel Eins – die Show“ (Mi., 20.15 Uhr, Kabel 1) mit „Stars von damals“ und: Musikantenstadl.

Dreh- und Angelpunkte des Abends sind die „Live“-Auftritte. Sie dienen der Befriedigung voyeuristischer Gelüste. Oder freut sich wirklich jemand auf Peter Schilling, der seinen „Major Tom“ eigenen Angaben zufolge „nicht mehr hören kann“, ihn aber trotzdem singt?

Mit Zuneigung kann das ja nichts zu tun haben, sonst ließe man sie doch in Frieden: Paul „Young“. Howard Jones. Anne Clark. Limahl. Martin Fry von den einst so tollen ABC, ach! The Nits gar! Warum tun die sich das an? Die Antwort weiß wohl der blonde Mann in der immer wiederkehrenden Playback-Hausband, der sich an kabellosen E-Gitarren windet. Er verkörpert den Idealzustand. So kommt man hier wohl durch: Betäubt.

Über allem die Moderatoren. „Gastgeber“ Thomas Anders, als eine Hälfte von Modern Talking in den 80ern das Gespött der Show, begrüßt mit wächsernem Masochisten-Lächeln die vier „Formel Eins“-Köpfe, die am Ende auf der Couch sitzen. Peter Illmann mit seiner beflissenen Lockerheit, Ingolf Lück, der lustvoll Moderationen verpatzt und noch mal drehen lässt, Kai Böcking, immer noch harmlos, und Stefanie Tücking, die in einem fort klarstellen muss, wie R.O.C.K. sie war, ist und in alle Ewigkeit sein wird.

Ansonsten wird Ignoranz gegenüber dem Sujet, der Musik, zur Schau getragen. It’s only Rock ’n’ Roll und es ist uns piepegal: Rio Reiser wird in einer Reihe mit der Gruppe Wind verhandelt, Stevie Wonder ist der „Balladenkönig“ (Lück), und die Housemartins „gibt’s ja, glaub ich, nicht mehr“. Stimmt, Peter Illmann, nämlich seit 16 Jahren.

„Formel Eins – die Show“ ist ein Trash-Highlight. Für viel mehr taugen Pop und Rock im deutschen Massen-TV nicht.