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Archiv-Artikel

Langsamer Abschied vor Kohle

Nordrhein-Westfalens SPD beugt sich dem Berliner Kohlekompromiss – und verabschiedet sich langsam von der Idee des Sockelbergbaus. Kohleförderer RAG schließt bis 2012 jede zweite Zeche

VON ANDREAS WYPUTTA

Nordrhein-Westfalens Steinkohlesubventionen von derzeit 588 Millionen Euro sinken bis 2012 um jährlich 24 Millionen. Rot-Grün in Düsseldorf habe sich damit die Ergebnisse des Kohlekompromisses vom Montagabend „zu Eigen gemacht“, betonte NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) nach einer Sitzung des rot-grünen Koalitionsausschusses in Düsseldorf. Mit den neuen Rahmenbedingungen sinkt die Zahl der Beschäftigten im stark subventionsbedürftigen Steinkohlebergbau von derzeit 45.000 auf 20.000 im Jahr 2012, die Fördermenge wird von 26 auf 16 Millionen Tonnen reduziert. „Die Entwicklung wird geordnet ablaufen. Es wird nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommen“, versprach der Regierungschef.

Die Kohlehilfen von Bund und Land für die Essener RAG als letztem verbliebenen Steinkohleförderer sinken damit von 2,71 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf 1,83 Milliarden Euro 2012. Der Aufsichtsrat des Unternehmens beschloss daraufhin die Schließung der Bergwerke Walsum bei Dinslaken bis Ende 2008 und Lippe in Gelsenkirchen bis 2010. Bereits im vergangenen Jahr hatte die RAG das Aus für die saarländische Zeche Warnt/Luisenthal und für das Oberhausener Bergwerk Lohberg/Osterfeld für 2006 angekündigt. Darüber hinaus sei die Schließung einer weiteren Zeche nötig, so RAG-Chef Werner Müller. Hier stehe eine Standort-Entscheidung aber noch aus, sagte der parteilose ehemalige Wirtschaftsminister des ersten Kabinetts Schröder. Wahrscheinlich ist aber eine Schließung des zweiten saarländischen Standorts Ensdorf – die CDU-geführte saarländische Landesregierung will für die Kohle keinen Cent zahlen.

Während Müller die verbliebenen fünf Zechen im Rahmen des auf Energie, Chemie und Immobilen basierenden RAG-Mischkonzerns langfristig weiterbetreiben will, deutet sich angesichts der Defizite der öffentlichen Haushalte ein langsamer Abschied der SPD vom so genannten Sockelbergbau an: Die Düsseldorfer Einigung hält ausdrücklich fest, dass kein Kohlesockel vereinbart wurde. Die restlichen Bergwerke stehen angesichts der jährlichen Defizite im hohen vierstelligen Millionenbereich weiter zur Disposition.

Zunächst zahlt NRW dennoch mehr als von der Koalition zunächst beschlossen – im Düsseldorfer Signal hatte sich Rot-Grün auf Subventionskürzungen von 40 Millionen Euro jährlich geeinigt, doch der Landeshaushalt wird selbst mit Zinsgewinnen wegen veränderter Auszahlungsbedingungen nur um 35 Millionen entlastet, kritisiert der grüne Energieexperte Rainer Priggen: „Ich hätte eine stärkere Entlastung der öffentlichen Haushalte für nötig gehalten.“