: Kulturelles Klima nicht vergiften
betr.: Kopftuchstreit in Berlin
Ende April hat auch Niedersachsen nach Baden-Württemberg als zweites Bundesland ein Kopftuchverbotsgesetz erlassen. Nach diesem Gesetz sollen katholische Schulen weiterhin privilegiert, das Kopftuch aber aus den Schulen verbannt werden.
Obwohl es in einigen Bundesländern in dieser Frage immer noch Bedenken gibt, hat es Rot-Rot in Berlin eilig, nachzuziehen. Gibt es irgendeinen konkreten Verstoß in Berlin? Oder wurde das „Neutralitätsgebot“ von irgendeiner Lehrerin missbraucht? Vergessen sie, dass sie politische Vertreter der multikulturellen Stadt Berlin sind, wo viele unterschiedliche Religionen, Nationalitäten mit ihren spezifischen Biografien, Kulturen und Identitäten zusammenleben? Warum zeigt man nicht die gleiche Sensibilität, wenn es um Chancengleichheit und Gleichberechtigung bei kommunalem Wahlrecht, Arbeitsplatzvergabe usw. geht? Welchen Sinn und Zweck hatten die öffentlichen Diskussionsveranstaltungen der PDS, in denen sich die Mehrheit des Podiums und des Publikums gegen ein Kopftuchverbot ausgesprochen haben? Waren das nur Showveranstaltungen?
Auch die Tatsache, dass das Berliner Gesetz alle Religionen gleich behandeln und eine Antidiskriminierungsstelle eingerichtet werden soll, macht dieses Gesetz nicht besser. Anwendung finden wird es letztendlich nur bei den religiösen Minderheiten in diesem Land. Man braucht sich nur das Kruzifix-Urteil des BVerfG von 1995 vor Augen zu halten, das bis heute in Bayern nicht in die Tat umgesetzt werden konnte. Die Gründung einer Antidiskriminierungsstelle hat weder Hand noch Fuß, wenn sie keine rechtliche Handhabe durch ein Antidiskriminierungsgesetz erhält, sondern nur Alibifunktion. Es darf nicht zugelassen werden, dass das kulturelle Klima hier vergiftet wird. Wir wollen in dieser Stadt mit allen Religionen und Kulturen friedlich zusammenleben. ARSLAN YILMAZ, Berlin-Wedding