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Archiv-Artikel

Der rechte Repräsentant

Hans Filbinger (CDU), früher Ministerpräsident, noch früher NS-Marinerichter, wählt den Bundespräsidenten

„Es stärkt den repräsentativen Charakter der Bundesversammlung, dass ihr nicht nur Mitglieder des Bundestages und der Landtage angehören, sondern verdiente Politiker aller Ebenen des politischen Lebens.“ So steht es in der offiziellen Bundestags-Broschüre zur Wahl des Bundespräsidenten. Nach diesem Motto hat die CDU für kommenden Sonntag Hans Filbinger nominiert. Ausgerechnet Filbinger, der 1978 als Ministerpräsident von Baden-Württemberg zurücktrat, weil herauskam, dass er als NS-Marinerichter noch in den letzten Kriegstagen Todesurteile gegen Deserteure aussprach.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes warnte, mit Filbinger ziehe in die Bundesversammlung der „Geist eines Unbelehrbaren“ ein. Die PDS-Wahlfrau Katja Kipping erklärte, die Nominierung Filbingers sei eine Zumutung für alle, „die unter dem Hitler-Faschismus gelitten haben“. Der Grüne Volker Beck bezeichnete es als „unverständlich“, dass CDU-Chefin Angela Merkel „hier nicht die Reißleine zieht“. Unionskandidat Horst Köhler müsse sich „fragen, von wem man da eigentlich gewählt wird“, sagte Grünen-Fraktionsvize Christian Ströbele zu Spiegel online, der über die „Rückkehr des ‚furchtbaren Juristen‘ Filbinger“ berichtete. So hatte ihn einst der Schriftsteller Rolf Hochhuth genannt. Hochhuth meldete sich auch jetzt zu Wort: „Wir schaden uns selbst und unserem Ansehen im Ausland, wenn wir das zulassen.“

Bei all der Aufregung wird allerdings eines übersehen. Es ist nicht so, dass die CDU plötzlich einen Verbannten begnadigt und aus dem Exil zurückgeholt hat. Oder dass sie Filbinger erst jetzt auf einmal wieder klasse findet. Sie fand ihn immer schon klasse. Von einer „Rückkehr“ kann nur im Bezug auf die Bundesversammlung und den Ort Berlin gesprochen werden. In seiner Heimat Baden-Württemberg ist Filbinger seit Jahr und Tag CDU-Ehrenvorsitzender.

Als Filbinger im vergangenen September 1990 wurde, feierte ihn die Landesregierung mit einem großen Empfang im Ludwigsburger Schloss. Der amtierende Ministerpräsident Erwin Teufel hielt die Festtagsrede und erklärte, Filbinger habe in seiner Regierungszeit „Großes geleistet und Bleibendes geschaffen“, vor allem für Baden-Württemberg: „Dem noch jungen Südweststaat gaben Sie seine innere Form.“ Aber nicht nur das. Filbinger habe „wie kein anderer gegen die Umsturzpläne der 68er Bewegung angekämpft“, schrieb Teufel im Vorwort zu Filbingers Autobiografie, „und zwar mit Erfolg“. Trotzdem musste der Exmarinerichter 1978 sein Amt als Ministerpräsident abgeben. Unter anderem, weil er die Entscheidungen der NS-Kriegsjustiz, an denen er selbst beteiligt war, so kommentierte: „Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein.“ So viel Uneinsichtigkeit ging damals auch einigen in der Union zu weit, die in der Kritik an Filbinger ansonsten vor allem eine fiese Kampagne der Linken sahen und sehen.

In der Führung der Unionsfraktion im Bundestag jedenfalls empört man sich über die Empörung. „Ich kann mir nur an den Kopf fassen“, sagte Fraktionsvize Wolfgang Bosbach der taz. „Das ist doch ein Treppenwitz, wenn sich ausgerechnet jemand wie Ströbele darüber aufregt – bei seiner Vergangenheit! Das ist alles, was ich dazu sage.“ Bosbach bekam bei der letzten Wahl für den Fraktionsvorstand die meisten Stimmen. Gerade erst wurde er als künftiger CDU-Fraktionschef ins Gespräch gebracht, weil er in den eigenen Reihen besonders populär ist. LUKAS WALLRAFF