strafplanet erde: wund und gesund von DIETRICH ZUR NEDDEN
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Typisch! Während das Blut unten heraussickerte, sprang zwischen den Gehirnwänden die Frage hin und her, ob eine klaffende Wunde und eine klaftertiefe Wunde, akustisch so dermaßen eng miteinander verwandt, eine gemeinsame etymologische Wurzel haben. Und wenn ja, ob die Rechtschreibreformer das übersehen haben? Übersprungshandlung im palliativ ungenügend versorgten Geiste? Autogene Schmerztherapie?

Aufgereiht im Regal, der Pritsche gegenüber, kehrten mir der grüne „Pschyrembel“ und eine „Rote Liste“ den Rücken zu. Danke nein, Bundesregierung. Und die richtige Antwort würde sich darin auch nicht finden. Immerhin war ich bereits ins Behandlungszimmer 4 vorgedrungen; gehumpelt, besser gesagt. Tür auf: Es würde sich gleich jemand um mich kümmern. Tür zu.

So schlimm sah der Schnitt an der Fußsohle jetzt nicht mehr aus, tat aber weh. Das Blut hatte seine Geschwindigkeit gedrosselt und tropfte aufs Linoleum. Inaugenscheinnahme und Degustation ermittelten den Befund: Glänzendes Rubinrot, fruchtig-würzig, im Gaumen harmonisch mit feinen Holznoten. Voll und elegant. Wie die Holznoten sich da reingeschummelt hatten? Vom Kopf her? Dort taumelte eine weitere Assoziation heran. Ob es beim Abendmahl „Dies sei mein Blut“ oder „Dies ist mein Blut“ heißen müsse, deswegen haben sich ja Weltreligionen bis aufs Messer bekämpft. Transsubstantiationslehre war der zärtliche Name dafür, oder? Arghh! (Aus Versehen aufgetreten.)

Tür auf, eine andere Frau in Weiß rein: Sie drückte mir eine edelstählern-polierte Apparatur in die Hand und eine Spritze. Ich könne die Wunde schon mal provisorisch selbst tackern und mir eine Tetanus-Impfung verpassen, dann bräuchte der Doktor nachher nur kurz drauf kucken. „Ach so … die Injektion intramuskulär, bitte.“ Tür zu.

Ihr Auftritt stellte sich nachher als scherzhaft gemeinte Demonstration heraus, wie der Laden laufe, wenn die Reformmaßnahmen der großen Koalition umgesetzt würden. Mein „Doc“, wie man den Arzt in der harmlos-durchamerikanisierten Jugendzeit nannte, war kurz darauf bei mir. Mein heldenhafter Hausarzt, mein Lotse auf dem Wrack namens deutsches Gesundheitssystem.

Wie das denn mit der Wunde passiert sei? Auf dem Rückweg vom TÜV, erzählte ich wahrheitsgemäß, wo man den Bremsen meines Mopeds das Prädikat „zu aggressiv“ ausgestellt hatte, sei ich nach einer Vollbremsung auf ein geparktes Auto gerutscht. „Nur weiter so“, war die spontane Reaktion. Er plädiere sowieso dafür, dass Motorradfahrer von Steuer und Versicherung befreit würden, falls sie einen Organspenderausweis vorweisen könnten. Die Medizin wäre dankbar. Den Rauchern sowieso. Statt die Tabaksteuer dauernd zu erhöhen, müsse man sie streichen, weil Raucher langfristig die Kranken- und Rentenkassen ungeheuer entlasten. Ganz einfach weil sie früher sterben. Während er die Wunde bestens versorgte, retteten wir gemeinsam die deutsche Gesundheit. Aber davon wird nichts verraten. Schweigepflicht.