: Wahljahr 2009 entscheidet über Energiewende
Deutsche Umwelthilfe und Ökoenergiebranche fordern Gaskraftwerke und eine halbstaatliche Netzgesellschaft
BERLIN taz ■ Dieses Jahr, das Superwahljahr 2009, wird zu einem Jahr der Entscheidungen. Da sind sich Umweltverbände und Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien ganz sicher und völlig einig: Der Ausstieg aus der Atomenergienutzung steht zur Wahl. Mit dem Ausgang der nächsten Bundestagswahl hänge auch zusammen, ob die erneuerbaren Energieträger weiter so dynamisch wie bisher wachsen können.
Wegen der gemeinsamen Sorge um die Zukunft der Energieversorgung und der dazugehörigen Netzinfrastruktur trat am Dienstag ein ungewöhnliches Bündnis gemeinsam in Berlin an die Öffentlichkeit: Der Solaranlagenhersteller SolarWorld AG, der alternative Strom- und Gaslieferant LichtBlick, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK) eint die Sorge, dass die unter anderem von der CDU geforderten längeren AKW-Laufzeiten und der Bau neuer Kohlekraftwerke den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien behindern wird.
Die Atomindustrie sei ein Trittbrettfahrer des Klimaschutzes, meint DUH-Geschäftsführer Rainer Baake. Er hält es für einen Trugschluss, dass AKW das Treibhausgas CO2 vermeiden helfen: Wenn an der einen Stelle bei den Energiekonzernen CO2-Emissionen eingespart werden sollten, dann würden sie eben an einer anderen Stelle in Europa entstehen. Der Grund: Mit der EU-Richtlinie für den Handel mit Verschmutzungsrechten wurden zum Beispiel für das Jahr 2020 für Energiewirtschaft und Industrie europaweit die Emissionen auf 1.720 Millionen Tonnen CO2 festgelegt. Diese Zertifikate, so Baake, würden auf jeden Fall ausgegeben und genutzt.
AKW haben mit Kohlekraftwerken gemeinsam, dass sie sogenannte Grundlastkraftwerke sind. An- und Abfahren dauert zum Teil sehr lange und ist unökonomisch. Am besten rechnen sich die Anlagen, wenn sie Tag und Nacht laufen. Deshalb passen sie nicht zu den unstetig einspeisenden Windanlagen, Heizkraftwerken und Solaranlagen, die ein viel flexibleres Netzmanagement erfordern. „Jedes neue Großkraftwerk“, meint daher Milan Nitzschke von SolarWorld, „wird den Zubau von Erneuerbaren behindern. Klaus Traube vom B.KWK pflichtet ihm bei: „Jedes dieser Kraftwerke verringert die Wahrscheinlichkeit, dass wir das von der Bundesregierung angestrebte Kraft-Wärme-Kopplungs-Ziel von 25 Prozent wirklich erreichen.“ Gaskraftwerke würden stattdessen benötigt, ergänzt Gero Lücking von LichtBlick.
Unternehmen und Umweltverbände sehen Deutschland vor einer Richtungsentscheidung: Die großen Energiekonzerne hätten wenig Interesse, dass sich an den bestehenden Strukturen etwas ändere. Der für die Erneuerbaren nötige Umbau der Infrastruktur müsse gegen diese Interessen durchgesetzt werden. Eine umfassende Netzgesellschaft sei nötig, bringe aber nichts, wenn sie nicht neutral ist. Die vom SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier vorgeschlagene Variante, wonach der Bund 25,1 Prozent einer solchen Netz AG übernehmen sollte, ist nach Baakes Ansicht wenig sinnvoll. „Mit 25,1 Prozent können Sie nur verhindern. Zum Gestalten brauchen Sie 50,1 Prozent.“
JOHANN MARTENS