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Archiv-Artikel

„Den Tätern keinen Gefallen tun“

Warum die taz Fotos von der Enthauptung Nicholas Bergs nicht gezeigt hat. Ein Interview

taz: Herr Hillenbrand, die taz hat auf den Abdruck von Bildern der Hinrichtung des Amerikaners Nicholas Berg verzichtet. Die taz titelte: „Bilder als Waffen“. War das nicht übertrieben?

Klaus Hillenbrand: Nein. Wenn ein Mensch aus dem einzigen Grund ermordet wird, um die Tat anschließend der Öffentlichkeit vorzuführen, dann verbietet es sich, diese Bilder abzudrucken. Das hieße, den Tätern einen Gefallen zu tun. Auf diese Tatsachen haben wir aufmerksam machen wollen.

Warum hat die taz dann die Folterbilder von Abu Ghraib gezeigt, die waren doch auch brutal?

Natürlich waren sie das, und manche LeserInnen haben uns deshalb auch gebeten, in Zukunft auf den Abdruck solcher Fotos zu verzichten. Aber diese Bilder transportieren nicht nur Gewalt, Erniedrigung und die Macht der Folterer. Sie sind auch Dokumente der Aufklärung. Erst durch diese Fotos ist die Diskussion über US-Folter im Irak in Gang gekommen. Während ein Abdruck der Bilder vom Mord an Nicholas Berg exakt den Wünschen der Täter entsprach, war es bei den Folterbildern genau umgekehrt. Die Regierung Bush hätte es sicher lieber gesehen, wenn es diese Fotos nicht gegeben hätte.

Besteht beim Abdruck von brutalen Kriegsfotos nicht immer die Gefahr, auch die Schaulust zu bedienen?

Doch, das lässt sich leider nie ganz vermeiden. Es ist denkbar, dass mancher die Folterfotos als Vorlage für eigene Machtfantasien benutzt hat. Doch überwiegend haben die Bilder nur Abscheu erregt vor den Tätern und ihren möglichen Hintermännern. Allerdings sollte bei den Folterbildern bedacht werden, ob der Abdruck immer neue Fotos oder eine Wiederholung bekannter Bilder noch zur Aufklärung beiträgt.

Haben die LeserInnen nicht ein Recht auf Aufklärung – auch im Fall der Enthauptung von Nicholas Berg?

Nein. Zuallererst haben wir die Bilder nicht gebracht, weil das eine Komplizenschaft mit den Mördern wäre. Aber natürlich müssen wir bei vielen Kriegsbildern überprüfen, ob diese den Lesern überhaupt noch zumutbar sind. Leichenteile, abgeschlagene Köpfe und ähnliche Motive sind da keine Seltenheiten. Natürlich sind Bilder aus dem Krieg wichtig, auch um zu verdeutlichen, dass Krieg eben keine klinisch reine Angelegenheit ist. Aber es gibt eine Grenze. Man sollte auch bedenken, dass viele Kinder zu den Lesern unserer Zeitung zählen.

Wo verläuft für die taz die Grenze zwischen Aufklärung und Komplizenschaft?

Schwierige Frage. Die Abbildung jubelnder Hamas-Anhänger etwa, die zuvor Israelis getötet haben, ist möglicherweise im Interesse der Abgebildeten. Andererseits dokumentiert ein solches Foto auch das Ausmaß von Gewalt und Hass, das sich mit einem Text allein nicht beschreiben lässt. Es ist eine Gratwanderung, die wir täglich neu unternehmen müssen: Dient das Bilder der Propagierung von Gewalt und Mord? Oder überwiegt das Interesse, eine bestimmte Situation zu dokumentieren, wie sie nun einmal ist – unabhängig davon, was wir uns wünschen würden?

Hätte die taz die Hinrichtungsfotos gezeigt, wenn sie diese exklusiv gehabt hätte?

Das halte ich für ausgeschlossen. Möglicherweise hätten wir die Bilder anderen Medien zur Verfügung gestellt, um den brutalen Mord an Berg zu beweisen. Aber nicht, damit diese die Bilder dann drucken.

Kann man als Zeitung überhaupt Regeln aufstellen für den Gebrauch von brutalen Kriegsfotografien?

Nur begrenzt. Jede Entscheidung bezieht sich immer auf ein ganz bestimmtes Bild. Und jedes Mal müssen wir sie neu treffen. Eine Regel aber gilt: Wir lassen uns nicht zu Komplizen von Mördern machen.

KLAUS HILLENBRAND, 46, ist seit über zehn Jahren Chef vom Dienst bei der taz