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Archiv-Artikel

Diskreditierte US-Marionette

Ahmed Chalabi ist als Vorzeigeiraker der Neokonservativen jetzt auch in Washington in Ungnade gefallen

Er hat schon bessere Tage erlebt. Einst wurde der Iraker Ahmed Chalabi im Pentagon gar als potenzieller Nachfolger Saddam Husseins und künftiger Präsident des Irak gehandelt. Wie sehr sich der Wind sich seitdem gedreht hat, zeigt, dass US-Truppen diese Woche Chalabis Haus durchsuchten und kistenweise Dokumente und Computer mitnahmen. „Ich bin doch Amerikas bester Freund“, ließ das Mitglied des irakischen Regierungsrates fassungslos verlauten.

Tatsächlich galt der Gründer des Irakischen Nationalkongresses, der einst einflussreichsten irakischen Exilgruppe in Washington und London, als Darling der Neokonservativen von US-Vizepräsident Dick Cheney bis zu Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz. Sie bezeichneten ihn gern als „couragierten Vorkämpfer gegen Saddam“.

Er besaß alles, was die Amerikaner brauchten. Er gehört zur schiitischen Bevölkerungsmehrheit, war säkular eingestellt und amerikafreundlich. Chalabi ist vieles in einem. Mit 14 hatte der Sohn einer reichen und einflussreichen Familie Bagdad verlassen und studierte später in Chicago und Boston Mathematik. Er machte sich einen Namen als Intellektueller, Bankier, Diplomat, Geschichtenerzähler und jemand, der 1992 in Abwesenheit zu 22 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde wegen Veruntreuung der Gelder der jordanischen Petrabank, die darauf Pleite ging.

Doch für das Pentagon blieb er ein Mann, dessen Rat gern angenommen wurde. Chalabi überzeugte das Pentagon davon, dass der Irakkrieg ein Spaziergang würde und die Iraker Rosen werfen würden. Die fatale Idee, Iraks Armee und die einst regierende Baathpartei völlig unkontrolliert aufzulösen, soll ebenfalls auf sein Konto gehen. Dem US-Außenministerium unter Colin Powell und dem CIA war er schon lang suspekt. Dort sprach man vom ABC – anyone but Chalabi – jeder, nur nicht Chalabi. Das Pentagon war seinem Charisma verfallen. Stets zieht der leicht übergewichtige Mann im vertraulichen Gespräch eine seiner Augenbrauen hoch, als wolle er sagen: „Dieses kleine Geheimnis teile ich nur mit dir.“ Böse Zungen sagen ihm eine „Teppichhändlermentalität“ nach.

Doch er hatte Erfolg. Bis letzte Woche überwies ihm das Pentagon monatlich eine „Informationspauschale“ von 335.000 Dollar. Dass die gestrichen wurde, zeigte schon vor der Hausdurchsuchung, dass es steil bergab ging. Womöglich wurde nun selbst das Pentagon ungehalten, weil Chalabi es wagte, immer kritischere Töne über die Besatzung und die angebliche Machtübergabe am 1. Juli zu verlieren.

Chalabi kannte sein Dilemma. Als Marionette der USA war er bei den Irakern bereits diskreditiert, bevor er in den ersten Kriegstagen mit einem US-Militärhubschrauber eingeflogen wurde. Zuletzt hatte er versucht durch kritische Töne gegenüber der Besatzung ein eigenes Profil zu schaffen. Das Ergebnis ist verheerend: Die Hand, die ihn einst fütterte, zog sich zurück und die Iraker glauben ihm immer noch kein Wort. KARIM EL-GAWHARY