: Die Emanzipation der Puppen
Bremens Figurentheater geht eigene Wege: Mit dem geplanten Umzug nach Walle lässt das „Theatrium“ den Schnoor und das Packhaus hinter sich. Dort wird heute die Machtfrage gestellt
Von Henning Bleyl
Noch im laufenden Jahr will das seit 1987 im Schnoor-Packhaus beheimatete „Theatrium“ nach Walle umziehen. Während es sich im dortigen „Volkshaus“ deutlich vergrößert, gehen die Auseinandersetzungen um den Packhaus-Vorstand, der für die verbleibende Boulevardbühne verantwortlich ist, heute in die entscheidende Phase.
Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am Nachmittag stehen zwei Anträge zur Debatte: Die Fraktion um den geschassten Geschäftsführer und künstlerischen Leiter, Theaterschiff-Kapitän Knut Schakinnis, will den amtierenden Rumpf-Vorstand entmachten. Dieser wiederum schickt zwei potente, ehemals politisch aktive Persönlichkeiten als zusätzliche Vorstands-Kandidaten ins Rennen, um sich wieder zu konsolidieren. Neben persönlichen Unverträglichkeiten geht es um die grundsätzliche Ausrichtung der Boulevardbühne, die ab 2010 ohne Zuschuss auskommen muss (taz vom 19.12.).
Doch schon vor all dem Theaterdonner war es den Puppenspielern im Packhaus zu laut geworden. „Seit dort mit Musicals und Live-Musik experimentiert wird, ist die Arbeit für uns sehr schwierig“, heißt es. Da sich „Ladies Night“ und „Der kleine Prinz“ schlecht miteinander vertragen, wurde bereits vor zwei Jahren ein eigener Trägerverein gegründete, mit dem sich die Puppenspieler von ihren Boulevard-Kollegen emanzipierten.
Das „Theatrium“ ist, bezogen auf die öffentliche Wahrnehmung, eine der unterschätztesten Bremer Institutionen. In seiner 22-jährigen Geschichte hat sich noch kein Kultursenator in die hoch ambitionierten Aufführungen verirrt, die andererseits durchaus schon bei „Arte“ zu sehen waren. Nicht umsonst entpuppte sich das „Theatrium“ im Rahmen der Kulturhauptstadt-Bewerbung als Aushängeschild: Als „Kleinod der bremischen Theaterszene“ wurde es zusammen mit Goetheplatz und Shakespeare-Company in die künstlerische Waagschale geworfen.
Eine Spätfolge der damaligen Weichenstellungen ist der nun endlich in Reichweite gelangte Umzug. Im ehemaligen Casino des „Volkshauses“, das die GBI vergangenes Jahr für 5,3 Millionen Euro sanierte, wird eine drei mal so große Bühne und mit 130 Plätzen ein fast doppelt so großer, endlich auch barrierefreier Zuschauerraum zur Verfügung stehen. Erstmals gibt es ausreichende Büro- und Lagerflächen.
Mit dem Umzug aus dem schnuckeligen Schnoor an die geschäftige Hans-Böckler-Straße steht auch eine Profilveränderung an: Es sollen deutlich mehr Stücke für Erwachsene gespielt werden, größere Ausstattungen sind möglich, in Zusammenarbeit mit den Bremer Philharmonikern wird an eine Kinderoper gedacht. Zwei AbsolventInnen der Berliner Hochschule für Schauspielkunst („Ernst Busch“), die sich bereits mit „Oskar und die Dame in Rosa“, einem Stück über ein an Leukämie erkranktes Kind vorgestellt haben, verstärken das dann fünfköpfige Team.
Das Kulturressort steigert seinen Zuschuss von früher 45.000 Euro auf 65.000 ab 2009 – ein ebenso gerechtfertigter wie antizyklischer Vorgang. Zwei Drittel seines Umsatzes muss das „Theatrium“ freilich weiterhin selbst bestreiten. Bisher gelang das durch fleißige Tournee-Arbeit und einer fast 90-prozentige Auslastung innerhalb Bremens.