: Gentech-Label für Lebensmittel
Das Europaparlament beschließt strenge Zulassungs- und Kennzeichnungsregeln für Lebens- und Futtermittel mit gentechnisch veränderten Inhaltsstoffen. Zahlreiche Waren in den Supermärkten werden sich künftig als Gentech-Produkte outen müssen
von WOLFGANG LÖHR
Gentech-Lebensmittel dürfen künftig nicht mehr ohne entsprechende Kennzeichnung in den Handel gebracht werden. Nach langem Gezerre verabschiedete gestern das Europaparlament in Straßburg die für alle EU-Mitgliedsstaaten ab Mai 2004 verbindliche Verordnung zur Genehmigung und Kennzeichung von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln. Als Folge der Parlamentsentscheidung ist jetzt auch damit zu rechnen, dass die EU-Kommission das seit über fünf Jahren bestehende De-facto-Moratorium für den kommerziellen Anbau von Gentech-Pflanzen kippt.
Die Grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer nannte die neuen Kennzeichnungsregeln einen „Meilenstein für den Verbraucherschutz“. Damit sei „endlich Schluss mit der Entmündigung der Verbraucher“. Künftig müssen alle Gentech-Produkte gekennzeichnet werden, unabhängig davon, ob im Endprodukt die Genmanipulation überhaupt noch nachweisbar ist.
Bisher musste zum Beispiel Sojaöl auch dann nicht gekennzeichnet werden, wenn es ausschließlich aus genmanipulierten Sojabohnen gewonnen wurde. Denn im Öl selbst sind keine manipulierten Gene oder Proteine mehr nachweisbar. Das ist jetzt nicht mehr erlaubt: Sojaöl oder auch hierzulande angebotenes Baumwoll- und Rapsöl unterliegt künftig der Kennzeichnungspflicht, wenn Gentechnik eingesetzt wurde.
Nicht durchsetzen konnten sich Organisationen wie Greenpeace oder die Ökoanbauverbände mit der Forderung, auch für das Fleisch von Nutztieren, die mit Produkten aus dem Gentech-Labor gefüttert wurden, die Kennzeichnung vorzuschreiben. Da jedoch die Futtermittel als Gentech-Ware ausgezeichnet werden müssen und gestern in Straßburg auch strenge Regeln für die Dokumentation und Rückverfolgbarkeit von Gentech-Produkten verabscheidet wurden, sei die „Verbrauchertransparenz vom Feld bis auf den Teller gewährleistet“, sagte Breyer. Zumindest die Behörden können bei Wurst, Fleisch und Eiern, die als „gentechnikfrei“ angepriesen werden, ohne großen Aufwand überprüfen, ob die Aussage tatsächlich zutrifft. Nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) sei derzeit „30 bis 100 Prozent Gen-Soja im Tierfutter keine Seltenheit“. Nur selten erfährt bisher auch der Landwirt etwas davon.
Auch bei der Frage, ab welchem Schwellenwert Produkte gekennzeichnet werden müssen, die „zufällig oder technisch unvermeidbare“ Spuren von gentechnisch veränderten Organismen enthalten, konnten sich die Vertreter möglichst strenger Regelungen nicht durchsetzen. 0,5 Prozent forderte Greenpeace. Das Parlament folgte dem Vorschlag von Kommission und Ministerrat, die sich auf 0,9 Prozent geeinigt hatten.
Neu geregelt wird auch die Zuständigkeit für die Risikobewertung von Gentech-Produkten. Bisher waren die Mitgliedsstaaten dafür zuständig. Jetzt soll die neu eingerichtete EU-Lebensmittelbehörde EFSA die Federführung dafür übernehmen. „Damit werden Entscheidungen weit entfernt von den Verbraucher getroffen“, befürchtet der Gentech-Experte von Greenpeace, Henning Strodthoff.
Die Kritik von Greenpeace hält sich jedoch in Grenzen. Grundsätzlich werden die neuen Regelungen auch hier begrüßt. „Ein Sieg für den Verbraucherschutz in Europa“, sagt Strodthoff. Die Parlamentsentscheidung sei auch ein bewusstes Signal gegen die Gentech-Politik der USA, die mit ihrer WTO-Klage gegen das EU-Moratorium strenge Zulassungs- und Kennzeichnungsregelungen hätten verhindern wollen.