Zwischen Arte und Abzocker-TV

In der ersten öffentlichen Sitzung in seiner Geschichte beschließt der Landesrundfunkausschuss den 24 Stunden-Status für’s Kulturfernsehen und deutlich engere Grenzen für das Gewinnspiel-TV

Von Henning Bleyl

Was tut man mit nicht ausgegebenem Geld? Diese spannende Frage hatte gestern der Landesrundfunkausschuss zu debattieren. Der tagte zwar erstmals in seiner Geschichte öffentlich, die Diskussion über die Verwendung der Rücklagen, die eigentlich gemeinsam mit Niedersachsen für das DVB-H – das so genannte Handy-TV angespart wurden, verlegte er allerdings in den nicht-öffentlichen Teil. Mit 124.000 Euro geht es dabei durchaus nicht um Unsummen, die durch das vorläufige Scheitern des Handy-TV frei wurden. Aber angesichts des insgesamt nur 1,8 Millionen Euro umfassenden Haushalts der Bremer Landesmedienanstalt (LMA) hatte das Geld schon im Vorfeld gewisse Begehrlichkeiten geweckt.

Ein auf den ersten Blick einwandfreies Konzept kam von der Arbeitsgruppe Bürgerrundfunk: Sie will das Geld für ein eigenes Förderprogramm ausgeben, mit dem man junge Filmschaffende zur Entwicklung neuer Formate animiert. Dabei blieb allerdings außer Acht, dass solche Förderaktivitäten der LMA juristisch problematisch sind – und dass das Geld ohnehin zunächst mal an Radio Bremen überwiesen werden muss. Dort war man schon im Vorfeld entsprechend vergnarzt über den forschen Vorschlag. Hintergrund ist, dass die Rücklage ursprünglich aus GEZ-Gebühren stammt, von denen der LMA regelmäßig etwa zwei Prozent zustehen – so sie sie satzungsgemäß ausgeben kann.

Zwar darf auch Radio Bremen das rückfließende Geld nicht nach Gutdünken verwenden – wenn es der Filmförder-Anstalt „Nordmedia“ zuflösse, würde allerdings auch der Sender selbst profitieren. Dritter im Bunde ist die Senatskanzlei, die nun gemeinsam mit LMA und Radio Bremen entscheiden muss, wer profitiert.

Der Rundfunkausschuss hat LMA-Direktor Wolfgang Schneider dafür mit einem eindeutigen Verhandlungs-Mandat ausgestattet: Er soll darauf hinwirken, dass das Geld statt zur Nordmedia zum Bremer Filmbüro wandert, das allseits anerkannte kulturelle Filmförderung leistet, ohne dass viel für Verwaltungsaufgaben versickert.

Wann der erste Verhandlungstermin stattfindet, sei noch unklar, sagte Schneider gestern der taz. Da das Landesmediengesetz vorschreibt, dass eine Einigung „einvernehmlich“, also im Konsens, erzielt werden muss, könnte der Verhandlungsauftrag des LRA auf eine Blockade-Situation hinauslaufen, die dann politisch gelöst werden muss. CDU und Grüne hatten schon bei bei der Neufassung des Landesmediengesetzes auf eindeutige Formulierungen zu Gunsten der kulturellen Filmförderung gedrängt, waren damit aber im Rahmen der großen Koalition gescheitert, die lieber die Nordmedia promotete. In einem ersten Gesetz-Entwurf hatte die SPD sogar ausschließlich die Nordmedia als Nutznießer etwaiger Finanz-Rückflüsse benannt.

Doch auch in anderer Hinsicht hatte der LRA dem etwas ambitionierteren Fernseh-Publikum gestern durchaus etwas zu bieten: den 24 Stunden-Status für „Arte“. Er beschloss einen neuen Kabelbelegungsplan, dem zu Folge „Arte“ rund um die Uhr in Bremen senden darf. Die technische Umsetzung wird allerdings wohl bis Mai dauern, bis dahin muss sich das Kulturprogramm sein analoges Kabel weiter mit dem Homeshopper HSE teilen. Der wiederum wandert auf den 9live-Kanal und verdrängt dort den Schmuckanbieter juvelo-tv. Insgesamt habe Bremen, sagt LMA-Sprecher Sven Petersen, vergleichsweise wenige Verkaufssender auf seinen insgesamt 35 analogen Kabelkanälen.

Auch den fernsehgestützten Gewinnspielen rückt der LRA mit einer deutlich restriktiveren Regelung zu Leibe. Er beschloss ein „Irreführungsverbot“, das insbesondere in Bezug auf vermeintliche Gewinnchancen relevant ist. Berüchtigt ist etwa der Fall der Viva-Moderatorin Alida, die ihr Publikum damit köderte, man könne „nur noch wenige Sekunden anrufen“ – und per irrtümlich eingeschaltetem Headset für alle hörbar hinzu fügte: „Die ziehen wir noch in die nächste Stunde rüber.“ Nun sollen sowohl falsche Zeitangaben als auch übertrieben dargestellte Gewinnaussichten und -summen deutlich strenger geahndet werden. Zudem müssen die Sender regelmäßig darauf hinweisen, dass Minderjährige von der Teilnahme ausgeschlossen sind. Bislang bemühen sie sich, mit betont jugendorientierten Rätselaufgaben das Gegenteil zu suggerieren. Am weitreichendsten – allerdings auch kontrollaufwendigsten – dürfte der Beschluss sein, die erlaubten Anrufkosten auf 50 Cent zu begrenzen. Die Gewinnspielanbieter verdienen vor allem an in Warteschleifen hängenden Handys.

Die 26 ehrenamtlichen Mitglieder des Landesrundfunkausschusses, von denen 13 direkt von gesellschaftlichen Organisationen wie dem Landessportbund oder dem CVJM entsandt und 13 aus Vorschlagslisten der Bürgerschaft gewählt werden, bewiesen gestern, dass sie sich auch in eigener Sache hartnäckig über Finanzielles auseinandersetzen können: Es geht um ein Gutachten, dass Reichweite und inhaltliche Akzeptanz des zur LMA gehörenden „Radio Weser TV“, früher als „Offener Kanal“ bekannt, klären soll. Eine solche Studie war zuletzt 1999 erstellt worden. Während die Mehrheit für eine solche Untersuchung 35.000 Euro ausgeben will – und diese Summe auch gleich in einer entsprechenden Ausschreibung ausloben gedenkt – kritisierte Nadine Portillo das geplante Verfahren: „Man muss die Weiterentwicklung von Radio Weser TV inhaltlich gestalten, statt die Entscheidung auf ein Gutachten zu verlagern“, sagte die Vertreterin von „Zonta“, einem Verband „berufstätiger Frauen in verantwortlichen Positionen“.

Demnächst wird sich der LRA auch mit der verantwortlichen Position im eigenen Haus beschäftigen: Zum ersten Juli läuft die Amtszeit von Direktor Wolfgang Schneider aus, noch bis Ende des Monats kann man sich bewerben.

Nächste öffentliche Sitzung: 11. Februar, 16 Uhr, Richtweg 14 - 3. Stock