: Grüne: Beckstein muss in Sicherungshaft
Empörung bei der kleinen Regierungspartei: Vor dem Zuwanderungsgipfel heute im Kanzleramt fordert Bayerns Innenminister eine „Vergewaltigung“ der Grünen durch Bundeskanzler Schröder. Damit greift er daneben und trifft doch einen wunden Punkt
VON LUKAS WALLRAFF
Vor den heutigen Spitzengesprächen über die Zuwanderung im Kanzleramt haben sich CSU und Grüne einen Schlagabtausch geliefert. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) wiederholte seine Forderungen nach Verschärfungen im Sicherheitsbereich und sagte über die ablehnende Haltung der Grünen: „Da muss eben die Vergewaltigung durch Herrn Schröder erfolgen.“ Die Grünen reagierten empört.
CDU-Chefin Angela Merkel müsse den CSU-Minister Beckstein für die Dauer der Zuwanderungsgespräche „in verbale Sicherungshaft“ nehmen, erklärten Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und der Zuwanderungsexperte Volker Beck. „Mit seinem Aufruf zur Vergewaltigung erweist sich Beckstein selbst als ‚Hassprediger‘.“
Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Irmingard Schewe-Gerigk, sagte, die Wortwahl Becksteins lasse „interessante Rückschlüsse auf seine geheimen Männerfantasien zu, in denen wohl immer noch gilt: Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.“ Seit 1997 sei die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt, merkte Schewe-Gerigk an. „Das gilt auch für Koalitionsgemeinschaften.“
Grünen-Vorstandsmitglied Omid Nouripour warf Beckstein vor, Vergewaltigungen zu „banalisieren“. Seine Äußerung sei „bodenlos“, Regierungschef Edmund Stoiber müsse ihn entlassen.
Hinter der grünen Aufregung über Beckstein dürfte sich allerdings auch die Sorge verbergen, dass der Kanzler bei seinen Gesprächen mit der Union mehr Zugeständnisse anbieten könnte, als den Grünen recht ist. „Ich denke, man muss jetzt zu einem Ende kommen“, sagte Schröder gestern über den Zuwanderungsstreit. „Insbesondere auch der Sicherheitsaspekt kann nicht weiter aufgehalten werden.“ Er werde der Union deshalb heute Vorschläge zu den Sicherheitsfragen machen, kündigte Schröder an. Die Migrationsbeauftragte Marieluise Beck (Grüne) dagegen hatte noch vor wenigen Tagen gesagt, die geltenden Gesetze reichten aus, um gegen gefährliche Personen vorzugehen: „Wir haben das Instrumentarium, wir brauchen nichts Neues“, so Beck.
Schröders heutiger Gast Edmund Stoiber, der am Abend gemeinsam mit CDU-Chefin Merkel im Kanzleramt erscheinen wird, ist da ganz anderer Meinung. Als Bedingungen für einen Kompromiss nannte der CSU-Chef unter anderem, dass alle Ausländer zwingend ausgewiesen werden müssten, die zu mehr als einem Jahr Haft verurteilt wurden. Die Grünen hatten eine Absenkung der bisherigen Grenze von drei Jahren Haft ebenso abgelehnt wie die von der Union geforderte Pflicht zur Anfrage beim Verfassungsschutz vor Aufenthaltsgenehmigungen.
Lediglich die Idee von Innenminister Otto Schily (SPD) einer Sicherungshaft für Terrorverdächtige scheint vom Tisch. „Wir können ja nicht Leute ohne richterliche Entscheidung in Deutschland anfangen festzusetzen“, sagte Justizministerin Brigitte Zypries (SPD). Selbst Beckstein räumte ein, eine Präventivhaft sei rechtlich problematisch.
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