: „Friedliche Fans werden behindert“
Matthias Bettag, Sprecher des Bündnisses aktiver Fußballfans, beklagt, dass Fans schon wegen Bagatelldelikten von der Polizei als Sportgewalttäter gespeichert werden
taz: Herr Bettag, sind die Berliner Hooligans eine relevante Gruppe, die bei der Fußball-Europameisterschaft in Portugal gefährlich werden könnte?
Matthias Bettag: Im Berliner Fußballalltag spielen die Hooligans fast keine Rolle mehr. Hertha hat ungefähr 50 Hooligans, Union ungefähr 30. Das sind aber Altbestände, die vor Jahren erfasst wurden, aber nicht mehr aktiv sind. Beim BFC Dynamo gibt es noch aktive Hooligans, aber nicht über 100 Leute.
Wird es mit den von der Polizei verhängten 7 Ausreiseverboten und 46 Gefährderansprachen sein Bewenden haben?
Das glaube ich nicht. Unsere Erfahrung ist, dass es direkt an der Grenze noch ganz andere trifft. Dass friedliche Fans wie Hooligans behandelt und an der Ausreise gehindert werden, nur weil sie früher einmal wegen Bagatelldelikten in der Gewalttäter-Sport-Datei gespeichert worden sind. Betroffen sind ganz normale Reisegruppen, die zu den Vielfahrern unter den Fußballfans gehören.
Was heißt wegen Bagatellen gespeichert?
Um erfasst zu werden, reicht, als Fan bei einer Ausweiskontrolle im gleichen Bus oder Zug mit polizeibekannten Personen angetroffen zu werden, die einen Sitz zerschlitzt oder eine Scheibe eingeschlagen haben. Oder dass man bei einem Flaschenwurf im Stadion in der Nähe war. Man muss nicht persönlich auffällig geworden sein.
Was hat es für Folgen, in der Datei gespeichert zu sein?
Man läuft Gefahr, beim jedem Auslandsbesuch, egal ob aus privaten oder fußballerischen Gründen, an der Ausreise gehindert zu werden.
Die Sicherheitsmaßnahmen im Fußball haben ungeheuer angezogen. Wird der Fan zum Freiwild für Kontrollaktionen?
Der Fan ist ein williges Opfer. Er will die Spiele sehen und ist bereit, sehr viel dafür in Kauf zu nehmen. Nicht nur die großen Strapazen der An- und Abreise, sondern auch die elektronischen Eintrittskarten …
… beim Kartenkauf müssen die persönlichen Daten angegeben werden.
Man muss sogar einwilligen, dass die Uefa und Fifa die persönlichen Daten zum Abgleich mit der Gewalttäter-Sport-Datei an die deutsche Polizei weiterleiten. Karten werden nur an Leute verkauft, die unterschreiben, dass sie noch nie ein Stadionverbot hatten. Wer in seiner Jugend mal ein Verbot hatte, ist sein Leben lang von Fußballveranstaltungen ausgeschlossen.
Die Aktionen an der Grenze erinnern an die Schikanen gegen Globalisierungsgegner.
Das ist durchaus vergleichbar.
Was kann man als Fan gegen ein Ausreiseverbot tun?
Am besten man macht sich schlau, ob man in der Datei gespeichert ist, bevor man an der Grenze festgehalten wird. Dazu muss eine Kopie des Personalausweises und ein förmliches Anschreiben an die Polizei geschickt werden. Den entsprechenden Vordruck gibt’s bei profans.de.
Nach Portugal fährt auch ein so genannter szenekundiger Beamter der Polizei, SKB genannt, mit. Kennen sich diese Beamten wirklich aus?
Unsere Erfahrung ist, dass bei denen ein sicherheitsoptimierendes, paranoides Denken überwiegt. Mit den Fans wird viel zu wenig kommuniziert. Aber es gibt auch positive Bespiele, wo SKBler schlichtend auf die eigenen Polizeikollegen einzuwirken versucht haben.
Ist man als Fan gut beraten, allein zu Auslandsspielen zu fahren?
Ich würde es nicht empfehlen. Wenn man dann in Gewahrsam kommt, hat man keinen, der Bescheid weiß.
INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE