: Hooligans schauen in die Röhre
Vor der Fußball-EM belegt die Polizei gewaltbereite Hooligans mit Ausreiseverboten. Ihre Auftritte schaden dem Ansehen Deutschlands in der Welt, begründet Polizeipräsident Dieter Glietsch
VON PLUTONIA PLARRE
Die Fußball-Europameisterschaft in Portugal wirft ihre Schatten voraus. Mit 7 Ausreiseverboten und 46 Gefährdeansprachen will die Polizei verhindern, dass Berliner Hooligans in der Zeit vom 12. Juni bis zum 4. Juli auf die Iberische Halbinsel fahren, um sich mit anderen Fans Schlachten zu liefern und Straftaten zu begehen.
Szenen wie 1998 in Lens bei der Fußballweltmeisterschaft, als der französische Gendarm Daniel Nivel von deutschen Hooligans fast zu Tode geprügelt wurde, dürften sich nicht wiederholen, begründete Polizeipräsident Dieter Glietsch gestern die Maßnahmen. Straftaten wie diese seien nicht nur eine Bedrohung für Leib und Leben, sondern schadeten dem Ansehen von Berlin und Deutschland in der Welt. Als Konsequenz aus den Vorfällen in Lens hatte die Berliner Polizei seinerzeit die aus 24 szenekundigen Beamten bestehende „Ermittlungsgruppe Hooligan“ gegründet. In Zusammenarbeit mit der Polizeiinformationsstelle für Sporteinsätze erstellt die EG Hooligan Lagebilder über Spiele und Reisebewegungen, gibt Prognosen ab und versucht die Klientel bei den Spielen ständig im Visier zu behalten. Die Zahl der Berliner Hooligans, die in die Kategorie C als „gewaltsuchend“ eingestuft sind, wird von der Polizei auf rund 270 Personen beziffert. 50 Fans werden Hertha zugeordnet, 60 dem FC Union, 150 dem BFC Dynamo und 5 Tennis Borussia.
Im Vorfeld der anstehenden Europameisterschaft hat die EG Hooligan jetzt aus dem Fundus der Kategorie C acht Männer als potenziell besonders gefährlich herausgesiebt und mit einem Ausreiseverbot aus Deutschland während der Zeit der Europameisterschaft belegt. Einer davon sitzt ohnehin in Haft, die übrigen müssen sich einmal täglich zu einer bestimmten Uhrzeit auf einem Polizeirevier ihrer Wahl melden. Weitere 46 Personen wurden durch Gefährdeansprachen – Beamte geben Bescheid: „Wir kennen dich“ – davor gewarnt, nach Portugal zu fahren, um dort Straftaten zu begehen. Wie die übrigen Bundesländer wird auch Berlin einen szenekundigen Beamten zu der Europameisterschaft schicken, um den Portugiesen mit Rat zur Seite zu stehen.
Die Polizei führt insgesamt drei Fan-Kategoriegruppen. A steht für nomale Anhänger, unter B sind zur Gewalt neigende Fans und Nachwuchs-Hooligans subsummiert, ihre Zahl wird auf rund 450 geschätzt. Damit nicht zu verwechseln ist die bundesweite Verbunddatei „Gewalttäter Sport“, in der rund 4.500 Personen gespeichert sind. 700 davon sind Berliner. In der Datei befinden sich keineswegs nur Straftäter, sondern auch ganz normale Fußballfans, die irgendwann einmal in eine Personalienkontrolle geraten sind. Wer einmal erfasst ist, bleibt das auch – wenn er keine Initiative zur Löschung betreibt. Die böse Folge: Gespeicherten Fans droht, dass sie bei Besuchen von Auslandsspielen – ähnlich wie Globalisierungskritiker – an der Grenze festgehalten werden (siehe Interview). Die Kriminalität in Berlin rund um die Fußballspiele ist rückläufig. 2003 wurden 242 Straftaten gezählt, 11,7 Prozent weniger als im Vorjahr.