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Archiv-Artikel

DIE DEUTSCHE FORM DES EMISSIONSHANDELS BREMST INNOVATIONEN Besitzstandswahrung pur

Es hätte ein historisches Gesetz werden können, ein Schmuckstück für den „klaren Innovationskurs“ der Regierung, den Müntefering so gerne beschwört. Ökonomisches Denken trifft ökologische Verantwortung. Der Emissionshandel gibt der Belastung der Atmosphäre mit Treibhausgasen einen Preis – und die Unternehmen tun das, was ihrer Natur entspricht: die Kosten senken – und dabei schonen sie automatisch das Klima. Wie und wo das passiert, bleibt dem Einfallsreichtum des Marktes überlassen.

Doch entstanden ist ein bürokratisches Monster. Statt das System logisch zu strukturieren, gingen die Konzerne beim Kanzler und beim Wirtschaftsminister ein und aus. Und beide drückten für jeden einen Sonderparagrafen ins Gesetz. Leider haben sich die Fraktionen der Koalition in der Nacht zum Dienstag nicht anders verhalten. Die SPD-Fraktion brachte sogar weitere Ausnahmefälle ein, etwa die Glasfabrik, deren Schmelzwannen mit der Zeit porös werden – und dann mehr Energie verbrauchen. Sie bekam eine „Härtefallregel“, genau wie zum Beispiel das Hüttenkraftwerk HKM von Thyssen-Krupp. So wird der Bundestag am Freitag ein Gesetz verabschieden, das sich an den historischen Emissionen der Firmen orientiert und nicht daran, welches Potenzial ihre Anlagen haben, das Klima zu schonen. Es gibt kaum Anreize, auf das klimafreundlichere Erdgas umzusteigen – und durch speziell auf RWE zugeschnittene Regeln nimmt es sogar den Druck bei Steinkohlekraftwerken, zumindest den Stand der Technik weiter zu verbessern. Besitzstandswahrung pur.

Die Grünen haben lange dagegengehalten. Am Ende sahen auch sie sich gezwungen, Einzelfälle zu regeln, um wenigstens die schlimmsten Dreckschleudern unrentabler zu machen und die wirklichen Klimavorreiter, die Stadtwerke, nicht unter die Räder kommen zu lassen.

Vielleicht ließen sich Glaswannen fertigen, die nicht so schnell porös werden. Das herauszufinden lohnt nun kaum. Durch die vielen Einzelregelungen wird der Emissionshandel nicht gerechter. Vielmehr benachteiligt er diejenigen, die keine starke Lobby haben. Und schlimmer noch: Er gibt wenig Anreiz zur Innovation. MATTHIAS URBACH