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Archiv-Artikel

Großes Theater für schräge Vögel

Weil eine Krähe sich ausgerechnet den Hof eines Autohändlers als Kinderzimmer ausgesucht hatte und dem Mann seine Unerwünschtheit eindeutig vermittelte, mussten Polizei und Fernsehen anrücken. Als die Kamera lief, startete der Jung-Vogel

Von sgi

Bremen taz ■ Sie kam von oben. Immer wieder. Irgendwann half nur noch der Regenschirm. Nur noch damit traute sich Siavosh Mohammadi aus seinem kleinen Holzhaus. Der Mann war ins Visier einer Krähe geraten. Die hatte ausgerechnet den kleinen Hof des Autohändlers an der Stresemannstraße zur Wiege ihres Nachwuchses erkoren. Und Mohammadi störte offenbar im Kinderzimmer.

So sehr fühlte sich der 54-Jährige von seinem gefiederten Untermieter bedroht, dass er die Polizei rief. Die kam – und nichts passierte. „Das Tier verhielt sich ruhig. Aus sicherer Distanz beobachtete der Vogel die Entwicklung auf dem Gelände, ohne jedoch aktiv zu werden“, hieß es in der Mitteilung der Polizei. Und weiter: „Die Beamten nahmen gerührt zur Kenntnis, dass zumindest einige schräge Vögel noch Respekt vor der Polizei haben.“ Aber kaum hätten sich die Beamten in ihren Streifenwagen zurückgezogen, habe das Tier sein bedrohliches Kreisen über des Autohändlers Kopf und Ware wieder aufgenommen.

Nicht, dass die Polizei nicht versucht hätte, die Sache aufzuklären. Der Tierschutzbund sei informiert, hieß es, und „ob der Vogel den Autohändler stellvertretend verantwortlich für die Urbanisierung von Futterplätzen gemacht oder gar den Firmennamen S+M Automobile in den völlig falschen Schnabel bekommen hat, konnte nicht geklärt werden.“

Das Federvieh hielt nicht nur die Polizei in Atem. „Hitchcock!“, rotzte ein hörbar genervter Tierschutzbundpräsident Wolfgang Apel gestern jedesmal in den Hörer, wenn er ihn abnahm. Denn die Medienmeute war alarmiert. Nein, er wisse nicht, warum das Tier angreife, so der Tierschutzmann. Und nein, das Tier sei nicht gefährlich, es übertrage keine Krankheiten und es müsse auf keinen Fall abgeschossen werden. „Das Tier verteidigt seinen Nachwuchs“, so Hitchcock-Apel, „wenn der in ein paar Tagen flügge ist, ist der Spuk vorbei.“

Tatsächlich drängt sich ein ganz anderer Verdacht auf. Nicht nur Menscheneltern wollen für ihre Menschenskinder das Beste. Auch Rabenmütter sorgen sich intensiv um die Zukunft ihrer Kleinen. Und wo wäre die besser aufgehoben als im – na? – genau: im Fernsehen. Denn just, als gestern das buten un binnen-Team anrückte, um die Vögel medial in Szene zu setzen, just, als die Kamera justiert, der Ton eingestellt und alle Aufmerksamkeit aufs Federvieh konzentriert war – just da begann das kleine Rabenkind zu fliegen. Zog seine Kreise im Blick der Kamera, begleitet von der stolzen Mutter, und verließ den engen Hof in Richtung weite Welt. „Das war ein großes Theater“, sagte später Siavosh Mohammadi. Jetzt ist er wieder allein mit seinen Autos. sgi