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Archiv-Artikel

Todesurteil aus dem Ausländeramt?

Eine akut aids-kranke Afrikanerin soll abgeschoben werden. Entgegen ärztlichen Gutachten will die Innenbehörde offenbar ihre Linie „Abschiebehindernisse beseitigen“ um jeden Preis durchsetzen. Die Kranke werde dies mit dem Leben bezahlen, so Ärzte

Von ede

Bremen taz ■ „Vermehrt abschieben“ und „Abschiebehindernisse beseitigen“ – seinen Ankündigungen kurz nach Amtsantritt will CDU-Innensenator Thomas Röwekamp (Bild) nun offenbar um jeden Preis Taten folgen lassen. Für eine akut aidskranke Afrikanerin könnte dies das Todesurteil bedeuten, fürchten Mediziner.

Entsprechende Gutachten liegen dem Bremer Ausländeramt vor. Dennoch soll die alleinstehende, schwer kranke Frau zum baldigen Rückflug in die Heimat gezwungen werden. Einen entsprechenden Bescheid hat die Afrikanerin, die aus Angst vor Diskriminierung unter allen Umständen anonym bleiben will, bereits erhalten.

Dieser Fall könnte einen weiteren Wendepunkt im bremischen Umgang mit AusländerInnen markieren. Nachdem das Innenressort erst im Januar für einen Togoer – am Gesundheitsamt vorbei – ein eigenes psychiatrisches Reisefähigkeitszeugnis bestellte, scheint die Ausländerbehörde im Fall der Afrikanerin nun ärztliche Gutachten ganz in den Wind zu schlagen. Sie vollzieht damit offenkundig eine Abkehr von humanitären Grundsätzen, die unter Röwekamps Amtsvorgänger Kuno Böse (CDU) noch Bestand hatten. Während dessen Amtszeit nämlich hatte die Frau noch eine einjährige Duldung erhalten, so Freunde. Mit deren Auslaufen begann – jetzt unter Röwekamp – für die Frau der buchstäbliche Kampf ums Überleben.

„Diese Frau kann in ihrem Heimatland niemals die 100 Dollar im Monat für die Medikamente aufbringen“, sagt Danja Schönhöfer von der Flüchtlingsinitiative. Der monatliche Arbeitslohn der Frau habe bei 15 Dollar gelegen – bevor sie in Deutschland während eines Besuchs bei Freunden überraschend die Aids-Diagnose erhielt. Eine Chance auf ein Überleben nach der Rückkehr in die Heimat gebe es nicht. Wie die mit dem Fall befassten Mediziner plädiert auch sie für eine Duldung aus humanitären Gründen.

„Schon auf Grund der Genfer Konvention kann man eine akut Aidskranke doch nicht nach Afrika zurückschicken“, sagt der Leiter des Bremer Gesundheitsamtes, Gottfried Zenker. Und auch im Gutachten des ausländerpolitisch unverdächtigen Missionarsärztlichen Instituts in Würzburg steht, „bei fortgeschrittener Immunschwäche ist eine Ausreise in solche Lebensbedingungen lebensbedrohlich“.

Die Ausländerbehörde deutet diese Diagnosen auf ihre eigene Art – als Kostenfaktor. Und schrieb der Frau: „Sie beziehen Hilfe zum Lebensunterhalt. Weiter fallen auch die durch ihre Krankheit entstehenden Kosten der öffentlichen Kasse zur Last.“ Sie droht der Kranken die Vollziehung der sofortigen Abschiebung an. Die Frau könne ein Gerichtsverfahren gegen ihre Ausweisung ja vom Ausland aus betreiben. Auch gebe es im Heimatland durchaus „medizinische Behandlung“. Weiter formuliert die Sachbearbeiterin: „Dass Sie über die hierfür notwendigen finanziellen Mittel nicht verfügen, stellt kein Kriterium dar, das ein Abschiebehindernis begründen würde.“ Denn, so lässt sich die komplizierte Begründung zusammenfassen: Geld für sowas hat dort ja quasi niemand. Insofern sei die Frau nicht besonders benachteiligt.

„Wir werden das Ergebnis eines Eilverfahrens vor Gericht abwarten“, sagte der Sprecher des Innenressorts, Markus Beyer, gestern gegenüber der taz. Dann werde über weitere Schritte entschieden. Im übrigen sei die Frau zeitweise untergetaucht gewesen. ede/Foto: Doepner