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Der Heil- und Kostenplan für Vivantes steht

Aufsichtsrat nickt Sanierungskonzept ab, Senator Sarrazin sagt Entschuldung zu, und Mitarbeiter verzichten auf Geld

Der Weg führt nicht zum Konkursgericht nach Charlottenburg und auch nicht zur Rhön-Klinikum AG nach Bayern. Zumindest nicht jetzt. Mit dem gestern vom Aufsichtsrat gebilligten Sanierungsplan hat der hoch verschuldete landeseigene Klinikkonzern nochmal eine Chance erhalten und kann Pleite und Verkauf vermeiden. Neue Strukturen sollen schon in diesem Jahr ein Defizit vermeiden. 2003 gab es noch 30 Millionen Euro Miese. Grundlage sind ein Schuldenerlass und Lohnverzicht der über 10.000 Beschäftigten. FDP-Klinikexperte Martin Matz kritisierte den Beschluss als fahrlässig und die Berechnungen als rätselhaft.

Das Konzept sieht neben stärkerer Kooperation vor, das Klinikum Prenzlauer Berg vom Krankenhaus zum medizinischen Versorgungszentrum herunterzustufen. Entgegen früheren Angaben soll es in der 270 Betten großen Klinik aber weiterhin stationäre Behandlung geben.

Der Beschluss war nur möglich, weil Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) gestern Schuldenerlass zusagte. Eine Entscheidung des Abgeordnetenhauses dazu steht noch aus. Vivantes ist bislang mit 230 Millionen Euro beim Land verschuldet, die Hoffnung auf Rückzahlung ist gering. Da diese Summe nicht im aktuellen Haushalt eingeplant ist, reißt sie dort auch kein Loch. Zum Jahresende soll Vivantes keine Miesen mehr machen, 2008 gar über 50 Millionen Überschuss verzeichnen. Diese Zahlen gelten dem Vernehmen nach als Messlatte für den heftig kritisierten Konzernchef Wolfgang Schäfer.

Für die Beschäftigten sieht ein am Dienstagabend vereinbarter Tarifvertrag ein Koppelgeschäft vor: bis 2008 Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld, dafür bis 2010 keine betriebsbedingten Kündigungen. Die Reaktion war gestern verhalten. „Die Dinge sind jetzt ein bisschen klarer, aber begeistert ist gerade keiner“, sagte Betriebsratschef Moritz Naujack der taz. Er will abwarten, ob die Mitarbeiter tatsächlich wie angekündigt bei der Umstrukturierung stärker einbezogen werden: „Da sind wir misstrauisch.“ Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) war da zuversichtlicher. Sie nannte den vereinbarten Sanierungsprozess offen und transparent.

Offen ist auch, was aus der Offerte der Rhön AG wird. Der private Klinikbetreiber hatte am Montag angeboten, die Mehrheit von Vivantes für 200 Millionen Euro zu übernehmen. Finanzsenator Sarrazin hatte zunächst eine Prüfung zugesagt. Das gilt auch weiterhin. Nach der Senatssitzung am Dienstag aber ruderte Sarrazin merklich zurück und ergänzte, derzeit gebe es keine Verkaufsabsichten.

Rhön-AG-Chef Eugen Münch wollte mit seinem kurzfristig eingereichten Angebot unter anderem die jetzt vereinbarte Jobsicherheit verhindern. Sein Angebot gelte dennoch weiter, sagte er gestern der taz. „Wir warten jetzt einfach mal ab, was der Senat uns mitteilt.“

STEFAN ALBERTI

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