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Archiv-Artikel

Ende einer großen Ära

Titelverteidiger Alba Berlin verliert das fünfte und entscheidende Halbfinalspiel gegen GHP Bamberg mit 68:93 und wird zum ersten Mal seit 1997 nicht deutscher Basketball-Meister

AUS BERLIN MATTI LIESKE

Obwohl der Abgang von Alba Berlin erst am Dienstag stattfand, hatte Emir Mutapcic seine Abschiedsrede schon am Freitag zuvor, also bereits nach dem dritten Spiel der Halbfinalserie um die deutsche Basketball-Meisterschaft gegen GHP Bamberg, gehalten. Man wolle ja keinen „Maccabismus“, sagte da der Coach des Titelverteidigers, eine Situation wie in Israel, wo jedes Jahr zuverlässig Maccabi Tel Aviv den Titel hole. Da konnte der neben Mutapcic sitzende Bamberger Trainer Dirk Bauermann nur müde lächeln. Der hat schon Teams in Griechenland oder Belgien betreut, und dort spricht man vermutlich von Albaismus, wenn man das betreffende Phänomen charakterisieren möchte. Sieben Mal hintereinander waren die Berliner nationaler Champion, das gleiche Kunststück war zuvor Bayer Leverkusen gelungen – zufälligerweise mit Dirk Bauermann als Trainer. Es sei gut für den Basketball in einem Land, „wenn mehrere Teams die Chance haben, Meister zu werden“, fasste Emir Mutapcic jedenfalls seine Theorie zusammen. Das kann er nun haben.

Mit 68:93 verlor Alba das fünfte, entscheidende Spiel gegen Bamberg und ließ das wahr werden, was Berlins Manager Marco Baldi zuvor am meisten gefürchtet hatte: „Bloß nicht in eigener Halle ausscheiden.“ Selbst eingefleischte Alba-Fans mussten lange zurückdenken, wann ihrem Team zuletzt in der Bundesliga derartiges Missgeschick widerfahren war – bis zum Mai 1996 nämlich. Da hatten 4.000 Zuschauer in der alten Charlottenburger Sporthalle traurig zugesehen, wie Leverkusen mit 90:74 das vierte Finalspiel gegen Svetislav Pesic’ Mannen gewann, zum siebten Mal den Titel holte, aber noch nicht ahnte, dass damit gleichzeitig das Ende des Bayerismus eingeläutet war. Die Vizemeisterschaft bedeutete Albas Einzug in die Europaliga, es folgte der Umzug in die prachtvolle Max-Schmeling-Halle, die Verstärkung des Teams mit diversen Nationalspielern, nicht zuletzt aus Leverkusen, und es begann die lange Phase der Alba-Dominanz, die jetzt auf durchaus drastische Weise von Bamberg beendet wurde.

Dabei hatte es vor dem Match so ausgesehen, als würde der althergebrachte Alba-Furor immer noch dazu taugen, der Konkurrenz im entscheidenden Moment die Nerven zu rauben, die Wurfhand zu schwächen und die Beine schwer werden zu lassen. Schon letzte Saison war der Titelgewinn der Berliner vor allem durch Aufholjagden aus scheinbar aussichtslosen Positionen geprägt, und auch diesmal hatten sie einen 0:2-Rückstand zunächst verkürzt, dann mit einem beeindruckenden Sieg in einer vor Begeisterung und antizipierter Finalfreude brodelnden Bamberger Halle ausgeglichen. Vom „Stile eines Champions“ war allenthalben zu lesen, und die meisten der fast 9.000 Zuschauer waren nun mit der Erwartung in die Max-Schmeling-Halle gekommen, ihr Team werde die Bamberger vom Feld fegen – so wie es immer war seit 1996.

Tatsächlich begann die Mannschaft von Emir Mutapcic stark, verteidigte konzentriert, traf gut, wenn auch nicht überragend, und spielte, vom Publikum frenetisch angetrieben, mit einem Feuer, wie es nicht häufig zu bewundern war in dieser Saison. Als es dann nach dem ersten Viertel dennoch 21:18 für Bamberg stand, wurde auch dem optimistischsten Fan klar: Hier stimmt etwas nicht. Weit entfernt davon, sich in ihr Schicksal zu ergeben, wie so viele eingeschüchterte Alba-Kontrahenten zuvor, gingen die Bamberger daran zu beweisen, dass sie einfach das bessere Team haben. „Wir haben jedes Eins-gegen-eins verloren“, analysierte Mutapcic später, „das gab Probleme in der Defense.“ Tatsächlich hatten die Bamberger alle fünf Spiele, auch die beiden verlorenen, die meiste Zeit dominiert, und es gab nur eine Position, wo sie zuvor klar unterlegen waren: Alba-Center Jovo Stanojevic war nie zu stoppen und ließ seinerseits den Gegenspielern Ensminger und Nahar keinen Stich. Am Dienstag jedoch geriet er schnell in Foulprobleme, und sobald er auf der Bank saß, starteten die Gäste im zweiten Viertel jene entscheidende Serie, die sie mit 19 Punkten Vorsprung in die Halbzeit gehen ließ. „Endlich hat Ensminger mal genauso gut, wenn nicht besser gespielt als Stanojevic“, freute sich Bauermann.

Die Schlüsselfigur war allerdings ein Spieler, den das Berliner Publikum hasst wie die Pest, aber „lieben würde, wenn er hier wäre“, so Ex-Alba-Akteur Henning Harnisch. „Lange Zeit hat kein deutscher Spieler auf so hohem Niveau gespielt wie Steffen Hamann heute“, schwärmte der sonst so nüchterne Mutapcic, und es klang fast schon wie ein Vertragsangebot. Der Bamberger Spielmacher glänzte nicht nur mit 25 Punkten und sechs Assists, sondern ordnete und dirigierte das Spiel seines Teams, welches sich einmal mehr als exzellent funktionierendes Kollektiv erwies und „hochprozentig“ (Bauermann) jene Würfe traf, die es sich geduldig herausgespielt hatte. Gut funktionierte auch die Taktik, das Spiel zu verschleppen, lieber auf Offensivrebounds zu verzichten und stattdessen die gefürchteten Fastbreaks der Berliner zu stoppen.

„Kontinuität ist der Schlüssel zum Erfolg“, verwies Bauermann darauf, dass sein Team schon länger in derselben Besetzung spielt, „nicht das stetige Auswechseln von Leistungsträgern.“ Hier liegt auch das Problem von Alba. Seit dem Weggang von Trainer Svetislav Pesic haben viele wichtige Spieler das Team verlassen, gekommen sind meist Individualisten. Von einem „Generationswechsel“ spricht Emir Mutapcic.

Geradezu symbolhaft der Abschied von Henrik Rödl. Der war elf Jahre lang die Seele der Mannschaft, „der Leim, der alles zusammenhält“, wie es Wendell Alexis einmal ausdrückte. Im Halbfinale spielte er nur noch sporadisch, war aber maßgeblich an den beiden Siegen beteiligt. Kurz vor Schluss wechselte ihn der Coach noch einmal ein, und die traurigen Ovationen galten gleichermaßen Rödl wie dem Ende einer großen Ära.

Dirk Bauermann, dessen Team nun ab Sonntag gegen die Skyliners Frankfurt um den Titel spielt, ist überzeugt, dass die Berliner „Qualität, Tradition und Stärke haben, dieses negative Erlebnis in Positives umzuwandeln“ und eine neue Serie starten könnten – „die hoffentlich nicht ganz so lange dauert“. Zunächst einmal ist Alba jedoch seit Dienstag wieder einfach nur eine von mehreren Mannschaften, die Meister werden können. Der Maccabismus in der Bundesliga hat ausgedient.