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Archiv-Artikel

Kein Zeitpunkt für die „Zeitpunkte“ mehr?

Der legendäre Frauenfunk des RBB steht mal wieder auf der Abschussliste. Quotenhoch oder Altweiberfunk? Dagmar Reim, RBB-Chefin und Deutschlands erste öffentlich-rechtliche Intendantin, will alle Formate gründlich prüfen

Alle Jahre wieder: Das Programmschema des SFB, heute RBB, wird erneuert, und der Frauenfunk fliegt raus. Was protestierende HörerInnen – die Hälfte sind Männer – seit der Gründung des täglichen Frauenmagazins „Zeitpunkte“ 1979 bisher siebenmal zu verhindern wussten, ist nun erneut auf der Tagesordnung. Ausgerechnet zu einer Zeit, da erstmals in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit Dagmar Reim eine Frau an der Spitze der Sendeanstalt steht.

Die Tagesordnung sieht vor, die Kulturprogramme von ORB und SFB, Radio 3 und Radio Kultur, zu einer Welle zu fusionieren. Bei ihrem kaum messbaren HörerInnenanteil waren zwei Programme schlicht zu teuer. Für ganz besonders zeitgemäß halten Intendanz und Hörfunkdirektion es, die Wortbeiträge tagsüber auf ein Minimum zu begrenzen. „Tagesbegleitprogramm“ heißt der Ausdruck dafür, dass man Klassik-Musikschnipsel mit einigen „frischen“ (also kurzen) Worteinsprengseln garniert. Bloß keine langen Magazinsendungen mehr – nur über 50-Jährige schalten diese angeblich gezielt ein, so die Erkenntnis der Hörfunkdirektorin Hannelore Steer. Und die sind anscheinend keine Zielgruppe mehr für das Kulturradio.

Sämtliche wortlastigen Formate beider Wellen balgen sich also gerade in der zuständigen Planungsgruppe um die wenigen Stunden am Abend. „Der Frauenfunk ist dabei nicht mehr vorgesehen“, so dringt es aus dem Hause RBB. Den etwa 20 regelmäßig dort beschäftigten freien Mitarbeiterinnen, „feste Freie“ genannt, ist gekündigt worden – ebenso wie 140 weiteren „festen Freien“, mit denen die beiden Kulturprogramme bisher den Löwenanteil ihrer Sendungen bestritten. Bei den „Zeitpunkten“ etwa gibt es genau 3 feste Stellen, der Rest arbeitet frei. Die Intendanz will sich, da man ja noch in einem „internen Diskussionsprozess“ sei, nicht zu der Neuordnung äußern. „Alle Formate werden auf den Prüfstand gestellt, auch die ‚Zeitpunkte‘“, mehr will RBB-Sprecher Peter Kröger nicht sagen.

Die Erfahrung lehrt, dass das für die Sendung heißt: Gefahr im Verzug. Etwa alle drei bis vier Jahre hieß es bisher, die Sendung sei „nicht mehr zeitgemäß“. Als „Emanzenfunk“ und „Minderheitenprogramm“ wurde die Sendung tituliert – obwohl sie mittags von 12 bis 13 Uhr immer für eine positive Beule in der Einschaltquotenkurve sorgte und sorgt. Bei allen neuen Mischungen – aktuell ist es der Wechsel von Magazinen, Diskussionssendungen und Porträts – fällt die Sendung vor allem durch den politischen Blick auch auf Alltagsthemen auf. Was die Agenda 2010 für Frauen bedeutet, wie irakische Frauen über den Krieg in ihrem Land denken, wie man mit „Türkenmachos“ umgeht und was vom Gebären per „Kaiserschnitt auf Wunsch“ zu halten ist – das ist in dieser Sendedichte nur noch im RBB zu hören. Altfrauenprogramm?

Auch Intendantin Reim wurde dort schon porträtiert. Die zeigte sich übrigens bisher durchaus sensibel, was die Geschlechterproblematik angeht. „Ich habe Frauen systematisch ermuntert und gefördert“, so sagte sie kürzlich in einem Interview. Über sich selbst als erste Intendantin merkte sie ironisch an: „Kaum wartet man 2.000 Jahre, schon ändert sich etwas.“ Und kaum ist eine Frau Chefin, wird der Frauenfunk abgeschafft? Apart.

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