: Rot-Grün bremst Liberalisierung
Bundestag fordert Regierung auf, Position zum Welthandel mit Dienstleistungen in drei Punkten zu ändern. Andere Länder dürften nicht gezwungen werden, ihre Wasserversorgung künftig auszuschreiben. Dies gefährde Ziele der Entwicklungspolitik
von KATHARINA KOUFEN
Die weltweite Liberalisierung des Handels darf nicht auf Kosten der ärmsten Länder gehe. Die Bundesregierung muss deshalb ihre Position zur laufenden Welthandelsrunde ändern. Diese globalisierungskritische Position machte sich gestern auch die rot-grüne Bundestagsfraktion zu Eigen. Deutschland müsse auch innerhalb der Europäischen Union Druck ausüben, damit diese ihre Haltung ebenfalls revidiere, verlangte der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Thilo Hoppe am Mittwochabend vor einer Bundestagsdebatte zum Thema. Damit mischen sich die Parlamentarier zum zweiten Mal in die Gats-Verhandlungen ein. Bereits im März formulierten sie einen „Vorbehalt“ gegenüber der Brüsseler Position.
Die Kritik der Fraktionen zielt auf das Dienstleistungsabkommen Gats, das zur Zeit als Teil der Welthandelsrunde verhandelt wird. Das neue Gats soll 2005 in Kraft treten. Im Gats legt jedes Land fest, welche Dienstleistungen es im internationalen Wettbewerb ausschreibt. Die Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) erstellten bereits Listen mit Liberalisierungsangeboten im eigenen Land und mit Wünschen an die anderen Länder.
Die Position der EU – die anstelle der 15 Einzelstaaten verhandelt – ist in vielen Mitgliedsländern umstritten. In Deutschland mobilisieren globalisierungskritische Gruppen wie Attac, Brot für die Welt und der BUND sowie die Gewerkschaften gegen das Dientsleistungsabkommen. Besonders die Gewerkschafter fürchten, Facharbeiter aus Osteuropa oder Asien könnten demnächst per Gats-Visum nach Deutschland kommen und dort für wenig Geld und ohne Sozialversicherungen arbeiten. Gleichzeitig mahnen die Gegner des Gats, das Abkommen zwinge Entwicklungsländer zur Liberalisierung von Dienstleistungen wie der Wasserversorgung und „gefährdet damit die Zugangsrechte armer Bevölkerungsgruppen zu Trinkwasser“, so Danuta Sacher von Brot für die Welt.
Diese Sorge teilen die Parlamentarier und fordern deshalb von der Regierung, in drei Punkten auf die EU einzuwirken: Erstens soll Brüssel darauf verzichten, von anderen Ländern – die meisten von ihnen Entwicklungsländer – die Liberalisierung des Wassersektors zu verlangen. „Diese Forderung ist nicht mit den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit abgestimmt worden“, kritisieren Hoppe und seine SPD-Kollegin Karin Kortmann. Vor allem das Wirtschaftsministerium setzt sich dafür ein, dass dieser Punkt auf der Liste bleibt, denn auch deutsche Konzerne wie die Essener RWE gehören zu den potenziellen Gewinnern einer solchen Regelung. Die EU selbst sieht in diesem Bereich keine Liberalisierung vor.
Zweitens fordern die Abgeordneten, dass das Gats-Abkommen nicht die Souveränität der Länder „über Banken und Währungspolitik“ beschneiden darf. Jedes Land solle weiterhin die Möglichkeit haben, sein Finanzsystem vor Kapitalabflüssen zu schützen. Ausnahmen wie in Chile, wo jeder ausländische Kapitalanleger eine Sicherheit bei der Zentralbank hinterlegen muss, müssten erlaubt bleiben.
Drittens verlangen die Abgeordneten, dass WTO-Beschlüsse künftig für einzelne Länder revidierbar sein müssen. Bisher ist die Regel, dass einmal zugesagte Liberalisierungen nicht im Alleingang rückgängig gemacht werden dürfen. Hoppe. „Die WTO darf keine Einbahnstraße sein.“