: Ermittlungen gefällig
Prügelpolizisten: Sollten die drei Beschuldigten heute vor dem Hamburger Amtsgericht für verhandlungsfähig erklärt werden, droht den AmtsärztInnen ein Prozess, die sie in der vorigen Woche für „psychisch zu stark belastet“ erklärt hatten
von ELKE SPANNER
Wenn heute vor dem Hamburger Amtsgericht der Prozess gegen die drei Erfurter Polizisten weitergeht, die auf einer Bambule-Demo im November Zivilbeamte niedergeprügelt haben sollen, wird am Beginn der Verhandlung eine medizinische Diagnose stehen: Entweder berufen sich die drei Angeklagten auf eine Blitzgenesung ihrer vermeintlichen psychischen Beeinträchtigungen, die sie am vorigen Freitag am Erscheinen gehindert haben sollen, und erklären sich nunmehr zur Verhandlung bereit. Oder aber sie tun das nicht – dann werden sie zunächst am Rechtsmedizinischen Institut der Uniklinik Eppendorf daraufhin untersucht, ob sie gesundheitlich in der Verfassung sind, an ihrem Prozess teilzunehmen.
Sollten die dortigen Fachleute sie für verhandlungsfähig erklären, dürfte dieser Strafprozess einen zweiten nach sich ziehen: Dann müsste die Staatsanwaltschaft gegen die Erfurter AmtsärztInnen vorgehen, die den Polizisten ohne Untersuchung „Verhandlungsunfähigkeit“ attestierten – und damit womöglich die Straftat „Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugenisse“ begangen haben.
Amtsrichter Thomas Semprich hatte die Atteste bereits als „Gefälligkeitsgutachten“ bewertet. Das Landgericht in zweiter Instanz hatte dem zugestimmt. Und mit der Strafverfolgung von ÄrztInnen, die Gefälligkeitsgutachten ausgestellt haben sollen, hat die Hamburger Justiz einschlägige Erfahrung.
So war die Staatsanwaltschaft in den vergangenen Jahren intensiv gegen MedizinerInnen vorgegangen, die Flüchtlingen „Gefälligkeitsgutachten“ ausgestellt und dadurch deren Abschiebung verhindert haben sollen. Allerdings ist keiner der Beschuldigten verurteilt worden.
Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft gegen sechs ÄrztInnen ermittelt. Das gipfelte im Mai 2001 in der Durchsuchung der Praxen von drei PsychiaterInnen und praktischen ÄrztInnen aus Altona, beim damaligen Migranten-Beauftragten der Ärztekammer sowie in den Räumen eines Oberarztes und einer Stationsärztin des Krankenhauses Ochsenzoll. Die Ermittler beschlagnahmten Krankenakten von Flüchtlingen – in denen sie aber keine Hinweise darauf fanden, dass deren Diagnosen unrichtig gewesen seien. Die Ermittlungen wurden eingestellt.
Dennoch blieb es nicht bei diesen Verfahren. Da die inkriminierten Atteste der niedergelassenen MedizinerInnen fast ausnahmslos von AmtsärztInnen bestätigt worden waren, gerieten auch diese ins Visier der Justiz: Im Mai 2002 schließlich durchforstete die Staatsanwaltschaft die Räume einer Amtsärztin im Harburger Gesundheitsamt sowie deren Privatwohnung. Der damalige Sprecher der Hamburger Ärztekammer, Wolfram Scharenberg, zeigte sich seinerzeit „verblüfft über die Vehemenz, mit der die Staatsanwaltschaft vorgeht“.
Bleibt abzuwarten, ob sie diese Entschlossenheit auch gegenüber AmtsärztInnen, die Polizisten Gefälligkeitsgutachten ausgestellt haben sollen, an den Tag legen wird.
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