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Archiv-Artikel

Das leichte Leben bei Union

Coach Votava will im Trainingslager grillen, Geschäftsführer Hoffmann bestellt für den DFB-Pokal eigene Trikots. Union geht gelassen in die neue Saison. Die Verantwortlichen sind sich sicher: Neue Prämien reichen für die Motivation

In den acht Monaten, die Mirko Votava in Köpenick arbeitet, hat er sich ein dickes Fell zulegen müssen. „Wenn ich auf alle Kritik von außen reagieren würde, müsste ich den Trainingsbetrieb einstellen“, sagt der Trainer des 1. FC Union Berlin: „Aber ich habe meinen Stil – und den ziehe ich durch.“ Das sind harsche Töne vor dem am Montag beginnenden neuntägigen Übungscamp in Zinnowitz. Der 47-Jährige hat sich über eine Schlagzeile geärgert („Votavas weiche Welle“), die nun auch so manchen Fan umtreibt: Ob es wohl richtig ist, in der Vorbereitung maximal zweimal am Tag trainieren zu lassen und zudem regelmäßig freie Tage zu spendieren?

Für das Trainingslager hatte der nette Vorgesetzte nämlich angekündigt, es werde auch Zeit für Grillfeten und das ein oder andere Bad im Meer geben. Unter seinem Vorgänger Georgi Wassilew sah das noch ganz anders aus: Der kasernierte seine Balltreter schon vor dem eigentlichen Konditionsbolzen (mit täglich drei Einheiten) in einem Berliner Hotel.

Votava findet das albern: „Das sind erwachsene Männer, viele verheiratet oder in festen Händen – die brauchen ihre Freiräume.“ Er habe selbst lange genug unter häufigen Dienstreisen gelitten und jede Minute mit der Familie genossen. „Bei allem Stress darf der Spaß nicht zu kurz kommen.“ Der Ehrgeiz bleibe bei ihm dennoch nicht auf der Strecke, behauptet der Union-Coach. Stammplätze gäbe es keine mehr, leichte Vorteile habe nur einer wie Torwart Robert Wulnikowski, „weil er so gut war letzte Saison“.

Die Vereinsführung erwartet Großes vom Personal. Präsident Heiner Bertram und Geschäftsführer Bernd Hofmann haben ihr Erscheinen im Trainingslager angekündigt. Sogar über eine Aufstiegsprämie wird dann verhandelt. 2.000 Euro pro Einsatz, also im besten Falle bis zu 68.000 Euro für Stammspieler, sollen ausgelobt werden. Union glaubt also wieder an die eigene Stärke. Mag Votava auch offiziell nur von einem Platz im Mittelfeld der Tabelle sprechen – andere träumen von mehr. Trotz der Abgänge von Routiniers wie Nikol, Beuckert, Menze und Koilov. „Wir brauchten ein neues Gesicht. Diese Mannschaft ist jünger und erfolgshungriger“, sagt Vizepräsident Hofmann.

Dafür soll auch die neue Prämienordnung sorgen, die revolutionäre Züge hat. Die bisher üblichen Auflaufprämien finden sich in keinem der neuen Verträge wieder, dafür gibt es deutlich höhere Punktprämien als in der letzten Saison. „Endlich wird nur noch streng nach Leistung bezahlt“, so Hofmann. Eine Gratifikation für den Klassenerhalt wird erst gar nicht ausgelobt. „Der Abstiegskampf ist nicht unser Anpruch“, so Hofmann.

Er kann es sich leisten. Seit die BSR-Gruppe ihr Hauptsponsoring um zwei weitere Spielzeiten verlängert hat, klafft kein Loch mehr im Etat. „Der Verein scheint finanziell gefestigt, wir kommen nicht ins Wanken“, hofft Votava.

Dennoch wird es zu den bisherigen Neuzugängen Sobotzik (Rapid Wien), Page (FC Aarau), Joppe (VfL Bochum), Pätz (Erfurt), Dabac (Dynamo Dresden), Pfuderer (1860 München) und Ersatztorwart Henzler (St. Pauli) vorerst keine weiteren geben. Es bleibt also bei 20 Mann – das hat das Präsidium dem Übungsleiter, der gerne zwei Alternativen mehr hätte, klar gemacht. Votava hofft nun auf viele Siege im DFB-Pokal, „vielleicht geht dann noch was“. Hat Hofmann doch nur die erste Runde im Budget eingeplant. Alles andere wäre ein Zubrot. Offiziell. Denn siegessicher scheint Union auch für diesen Wettbewerb zu sein, sonst wäre nicht eigens ein neues Trikot vorgestellt worden. Es soll nur im DFB-Pokal getragen werden. Welcher Schneider macht sich so viel Mühe nur für 90 Minuten?

MATTHIAS WOLF