: berliner szenen Am Winterfeldtplatz
Von 2 bis 3 Uhr
Wichtig am Winterfeldtplatz ist unbedingt der Zebrastreifen an der Stirnseite. An einer Ampel ließe sich diese kurze Steigerung der Aufmerksamkeit nicht herstellen, dieses klitzekleine Anspringen und sogleich wieder Ersterben des emotionalen Motors aus Triumph (ha, das Auto muss jetzt anhalten!) und Besorgnis (hält das Auto auch wirklich?), während man die Winterfeldtstraße überquert. Jetzt, zu dieser nächtlichen Stunde, fahren allerdings sowieso kaum Autos; selbst auf die Gefahr hin, von nun an für immerdar als Trojanisches Pferd eines Mitte-Nachtleben-Journalismus zu gelten, muss gesagt werden: An diesem Dienstag im Mai ist zwischen 2 und 3 Uhr am Winterfeldtplatz rein gar nichts los. Im vergangenen Sommer zogen nachts dann und wann einsame Inlineskater ihre Bahnen, auf den Bänken saßen rauchend Grüppchen – aber nun? Das Wetter ist auch wirklich nicht nach Draußensitzen.
Dafür leuchten gerade blau die Zebrastreifenschilder, die an gebogenen Masten über der Fahrbahn hängen, wärmend durch die Nacht. Die Standuhr daneben zeigt Werbung für Klosterfrau Melissengeist – auch blau, allerdings ein wenig heller. Und das Schild des neuen Restaurants direkt auf dem Platz ist auch blau, nun wiederum ein wenig dunkler. Und zwischen all diese Nuancen von Blautönen tritt um 2.41 Uhr eine Bedienung des „Lades“, will per Handy ein Taxi bestellen, muss am Straßenschild nachsehen und kann Maaßenstraße nicht lesen. „Maakenstraße“, sagt der Mann. Das ß ist tatsächlich merkwürdig geschrieben. Das also war in dieser Stunde das größte Ereignis auf diesem Platz, den die Polizei immer noch zu den sozialen Brennpunkten Berlins zählt. DIRK KNIPPHALS
(3 bis 4 Uhr: kommenden Freitag)