Festnahme auf Korsika

Kurz vor dem Referendum auf Korsika gibt Frankreichs Innenminister zur besten Sendezeit die Festnahme eines lang gesuchten mutmaßlichen Attentäters bekannt

PARIS taz ■ Das Timing hätte besser nicht sein können: Am letzten Werktag vor der Öffnung der Wahllokale für ein Referendum auf Korsika, dessen Ausgang für die Regierung in Paris hohe politische Risiken birgt, gab Frankreichs Innenminister die Verhaftung des meistgesuchten Franzosen bekannt. Der Korse Yvan Colonna, mutmaßlicher Mörder des Präfekten Claude Erignac, wurde am Freitagabend in einer Schäferhütte auf der Mittelmeerinsel verhaftet. Seine seit vier Jahren überfällige Verhaftung platzte mitten in die Hauptfernsehnachrichten hinein.

Wie der „Colonna-Effekt“ auf die korsische Politik im speziellen und die französische insgesamt aussehen wird, ist unklar. Bei Redaktionsschluss war noch offen, ob die Verhaftung einen Einfluss auf das gestrige Referendum über eine umstrittene Verwaltungsreform haben würde. Es war ebenfalls unklar, ob der Mordprozess gegen acht mutmaßliche Komplizen von Colonna nun unterbrochen oder völlig neu aufgerollt werden muss.

Im Übereifer seiner polizeilichen Erfolgsmeldung am Freitagabend „vergaß“ Innenminister Sarkozy die rechtsstaatlich übliche Unschuldsvermutung. Er nannte den bislang nicht verurteilten Colonnna den „Mörder von Präfekt Erginac“ und benutzte ihn zugleich als Trophäe. „Ich widme die Verhaftung Madame Erignac und den beiden Kindern“, sagte Sarkozy auf einer Veranstaltung und ließ sich bejubeln. Das Abtauchen des Hauptverdächtigen an dem Mord des wichtigsten Pariser Vertreters auf der Insel zeigt tatsächlich ein Versagen der französischen Polizei. Denn vieles deutete darauf hin, dass Colonna sich seit dem Mord am 6. Februar 1998 ununterbrochen auf Korsika aufhielt.

Die Verhaftung selbst freut in Frankreich fast alle – außer die korsischen Nationalisten, die sich gestern hinter Colonna stellten. Das zeitliche Zusammentreffen von Verhaftung und Referendum freilich gibt Sarkozy-Kritikern zu denken. Sie stellen fest, dass der Innenminister binnen Tagen mehrere spektakuläre Polizeiaktionen organisiert hat, die politisch nützlich sind: Eine inzwischen von der französischen Justiz kritisierte Großrazzia gegen die Spitzen der iranischen Oppositionsbewegung „Volksmudschaheddin“ – just zu einem Zeitpunkt, da die Beziehungen zu Teheran auftauten. Die Verhaftung des Bauerngewerkschafters José Bové durch Spezialeinheiten der Polizei – wenige Tage vor der Reform der europäischen Landwirtschaftspolitik. Und schließlich die Verhaftung von Colonna.

DOROTHEA HAHN