: Linke Grüne behalten sich „Nein“ vor
Glücklich über den Verlauf der Zuwanderungsverhandlungen ist bei den Grünen niemand. Einen Sonderparteitag halten aber auch die Parteilinken Ströbele, Hermann und NRW-Landeschef Schmidt erst für nötig, wenn der genaue Gesetzestext vorliegt
AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF
Die erste Aufregung bei den Grünen nach der grundsätzlichen Einigung zwischen dem Kanzler und der Union über das Zuwanderungsgesetz hat sich gelegt. Wegen der Zugeständnisse an die Union einen Sonderländerrat, also einen kleinen Parteitag, einzuberufen, halten „im Moment“ auch die Vertreters des linken Flügels nicht für nötig, die den Verlauf der Zuwanderungsverhandlungen äußerst kritisch sehen. „Mit den Eckpunkten, die auf dem Tisch liegen, kann man leben“, sagte der Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann der taz. Die erzielte Einigung sei „kein Superergebnis, aber besser, als man befürchten musste“.
Die Frage, ob es zu einem Sonderländerrat kommen werde, „hängt davon ab, was am Ende im Gesetzestext steht“, sagte der Grünen-Fraktionsvize Christian Ströbele der taz. „Im Augenblick wüsste ich gar nicht, worüber wir reden sollten.“
Genau darin, in der eigenen Unsicherheit über die genauen Ergebnisse der Einigung, liegt für Ströbele jedoch das entscheidende Problem: Das Einigungspapier, das nach dem Spitzengespräch im Kanzleramt verteilt wurde, lasse viele Fragen offen, insbesondere bei den so genannten Sicherheitsfragen: „Was ist ein Hassprediger? Unter welchen Voraussetzungen können Schleuser abgeschoben werden?“ Auch bei der Frage, wie eine „tatsachengestützte Gefahrenprognose“ aussehen müsse, die zur Ausweisung von Ausländern führen könne, komme es „sehr auf die genauen Formulierungen im Gesetzestext an“.
Umso mehr ärgert sich Ströbele, dass Innenminister Otto Schily (SPD) diese wichtigen Details allein mit den Unionsvertretern Peter Müller (CDU) und Günther Beckstein (CSU) aushandeln soll. Diesen Abschlussgesprächen sehe er „mit großer Skepsis und großer Sorge entgegen“, zumal er schon die bekannten Ergebnisse „überhaupt nicht zufrieden stellend“ findet. Er hätte es begrüßt, so Ströbele, wenn die Grünen den Konsensversuch mit der Union beendet hätten. „Was wir alleine machen könnten, wäre besser gewesen.“
Etwas versöhnlicher zeigte sich der linke Landeschef der Grünen in Nordrhein-Westfalen, Frithjof Schmidt. Für ihn sei letztlich nicht entscheidend, ob Parteichef Reinhard Bütikofer bei seinem Gespräch mit dem Bundeskanzler versäumt habe, auf eine direkte Beteiligung der Grünen an den Ausformulierungen des Gesetzestextes zu pochen, „wenn sichergestellt ist, dass Schily sein Vorgehen laufend mit unserem Experten Volker Beck abstimmt“, so Schmidt.
Anders als Ströbele kann Schmidt dem erzielten Ergebnis auch positive Seiten abgewinnen. „Es ist ein schwieriger Kompromiss“, so Schmidt, „aber man muss auch sehen, dass wir an einigen Punkten Verbesserungen erreicht haben“, etwa den – angekündigten – Wegfall der Kettenduldungen, den Schutz vor geschlechtsspezifischer Verfolgung und eine Härtefallregelung. „Wenn ich das abwäge mit den Verschlechterungen bei der inneren Sicherheit, würde ich zu dem Schluss kommen, dass es sich im Sinne der Betroffenen lohnt, das Gesetz zu machen“, erklärte Schmidt.
Für den NRW-Landeschef ist aber klar, dass am Ende „das Gremium über den Gesetzestext entscheiden muss, das unsere Kriterien festgelegt hat, also der Länderrat“. Dessen Beschluss vom 8. Mai sei bisher nur an einem Punkt verletzt worden – bei der Regelanfrage beim Verfassungsschutz. Schmidt hofft, dass es dabei bleibt: „Ich glaube, die SPD hat kein Interesse uns noch mehr zuzumuten.“ Auch Schily wisse, dass weitere Verschärfungen „bei der Endabnahme dazu führen, dass wir das Gesetz ablehnen“.
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