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Archiv-Artikel

Staatenlos, heimatlos, abgeschoben nach Rumänien

Obwohl gut integriert, musste eine Familie nach dreizehn Jahren in Deutschland zurück nach Rumänien. Lufthansa: „Kein erkennbarer Widerstand“

BERLIN taz ■ Seit über 120 Tagen lebt eine vierköpfige staatenlose Familie in der Wartehalle für ankommende Flüge im Flughafen Bukarest-Otopeni. Familienvater Constantin Codreanu, seine Ehefrau Carmen sowie die 21-jährige Gabriela Codreanu und ihr 13-jähriger Bruder waren am 10. März mit einem Lufthansa-Flug von Frankfurt am Main nach Rumänien abgeschoben worden. Zum Schlafen breiten sie auf dem Fußboden der Flughafenhalle Decken aus. Deutsche Freunde sichern mit Spenden mühsam den Lebensunterhalt der Familie.

„Als wir morgens von der Polizei aus unserer Wohnung geholt wurden, hieß es, wir würden zum Verwaltungsgericht Koblenz fahren“, sagt Constantin Codreanu. Ohne Geld, Kleidung und Papiere wurde die Familie stattdessen direkt zum Flughafen gebracht. „Die Passagiere haben während des Flugs keinen erkennbaren Widerstand geleistet“, weist Lufthansa-Sprecher Michael Lamberti die Kritik des antirassistischen Netzwerks „Kein Mensch ist illegal“ an der Fluggesellschaft zurück. Damit habe man auch nicht gegen die seit 1999 gültige Regel verstoßen, die Betroffenen nicht mehr gegen ihren Willen auszufliegen. Die Familie habe erst Widerstand geleistet, als sie in Bukarest das Flugzeug verlassen sollte.

Constantin Codreanu sagt, er habe schon beim Einsteigen in Frankfurt der Lufthansa-Crew deutlich gemacht, dass er gegen seinen Willen und unter Zwang abgeschoben werde. „Außerdem wurden wir von fünf BGS-Beamten begleitet,“ so Codreanu.

Die Familie war im August 1990 nach Deutschland eingereist und hatte im Laufe des Asylverfahrens einen Antrag auf Entlassung aus der rumänischen Staatsbürgerschaft gestellt. Obwohl die rumänische Regierung dem 1993 stattgab, weigerte sich die zuständige Ausländerbehörde Koblenz, den Status der Staatenlosigkeit „de jure“ anzuerkennen. Die Behörde ging lediglich von einer „De facto“-Staatenlosigkeit aus. „Im Gegensatz zu staatenlosen Palästinensern haben die Codreanus ihre Staatsbürgerschaft freiwillig aufgegeben“, erklärt Behördenleiter Hans-Peter Schäfer. Aufgrund dieser Rechtsauffassung erhielt die Familie jahrelang lediglich „Duldungen“ in Deutschland. Integriert hat sie sich trotzdem. Die 21-jährige Gabriela Codreanu studierte bis zur Abschiebung im zweiten Semester Rechtswissenschaften an der Universität Bonn. Ihr Bruder besuchte die 7. Klasse eines städtischen Gymnasiums. „Wir sind illegal abgeschoben worden“, sagt Constantin Codreanu am Telefon, während im Hintergrund ein Lautsprecher die Ankunft neuer Flüge ankündigt. Er versteht nicht, warum auf den Duldungen der Behörde seine Staatsangehörigkeit mit „staatenlos“ angegeben wurde und er für die Abschiebung so genannte „Laissez-passer“-Dokumente mit dem Vermerk „Bürger von Rumänien“ erhielt. Codreanu beruft sich auf internationale Abkommen zum Umgang mit Staatenlosen, die auch von Deutschland ratifiziert wurden. Offenbar mit Ausnahmen. Denn in einer Zusatzkonvention des Rückübernahmeabkommens zwischen Deutschland und Rumänien aus dem Jahr 1998 akzeptiert Rumänien nun auch die Aufnahme abgeschobener Staatenloser. Vorausgesetzt wird aber, dass die Betroffenen erst nach Inkrafttretens der neuen Konvention staatenlos wurden.

Amtsleiter Schäfer sagt, seiner Behörde sei vom Bundesinnenministerium mitgeteilt worden, die Codreanus gehörten zu einem Kreis von bundesweit rund 600 Personen, deren Rückübernahme bei „Nachverhandlungen“ mit Rumänien 2001 vereinbart worden sei. Constantin Codreanu gibt trotzdem nicht auf. Er weigert sich, einen Antrag auf Wiedereinbürgerung zu unterschreiben. Und hofft auf eine positive Entscheidung der Gerichte oder des Petitionsausschusses des Landtags, die eine Rückkehr nach Deutschland ermöglichen könnten. HEIKE KLEFFNER