: Windstrom ohne Siemens
Abschied vom Siemens’schen Generatorprinzip: Kraftwerkstechniker erwarten von Maschinen mit Permanentmagneten eine interessante Alternative zu Windkraftanlagen. Die Anlagenbauer allerdings zögern noch und sehen im Wechsel keinen Sinn
VON BERNWARD JANZING
Es klingt ein wenig nach Revolution. Als Werner von Siemens vor über 130 Jahren sein „dynamoelektrisches Prinzip“ präsentierte, lag dessen Fortschritt in den Magneten: Statt mit Dauermagneten arbeitete der Ingenieur mit Elektromagneten und vermochte damit erstmals leistungsfähige Generatoren zu bauen. Doch plötzlich scheint die Siemens’sche Erkenntnis in Teilen veraltet: Einige Ingenieure wollen heute zurück zum Generator mit Permanentmagneten – zumindest für bestimmte Anwendungen.
ABB zum Beispiel möchte künftig Windkraftwerke mit Permanentmagnet-Generatoren ausstatten. Die Firma hat eine entsprechende 2,5-Megawatt-Maschine bereits entwickelt, die sie in Finnland fertigt. Kleinere Maschinen dieser Art bis 300 Kilowatt baut das Unternehmen unterdessen in Frankreich. Der Vorteil der neuen Generatoren: Sie sind bei gleicher Leistung kleiner und leichter und erzeugen zudem weniger Abwärme – gerade für Windkraftanlagen können das wichtige Aspekte sein. Und ABB ist nicht allein. Auch die Firma Leitner aus Sterzing in Südtirol baut bereits entsprechende Megawattgeneratoren. Das Unternehmen ist mit Antrieben für Seilbahnen groß geworden und setzt seine Technologie nun modifiziert auch in Windkraftwerken ein.
Hatte Werner von Siemens also Unrecht damals, als er so stolz darauf war, die Dauermagneten in den Kraftmaschinen ersetzen zu können? Mitnichten. Die Zeit war einfach noch nicht reif für große Anlagen mit Permanentmagneten. „Erst heute können wir Dauermagneten fertigen, die sich für große Generatoren eignen“, sagt Holger Hannemann, Ingenieur beim Mannheimer Maschinenbauer ABB. Voraussetzung waren neue Materialen auf Basis seltener Erden wie Neodym und Samarium. Erst damit ließen sich Magneten fertigen, die nicht nur eine ausreichend hohe Energiedichte bringen, sondern auch noch stabil sind gegen Entmagnetisierung.
Wann und ob überhaupt das Material eines Tages entmagnetisiert wird, könne man zwar noch nicht genau sagen, erklärt ABB-Ingenieur Hannemann. Ein Zeitraum von 20 Jahren, wie man ihn bei Windkraftwerken gemeinhin als Mindestlebensdauer ansetzt, werde jedoch „ohne messbare Qualitätsverluste problemlos erreicht“.
Es bleiben also handfeste Vorteile, die Hannemann in Zahlen fasst: Synchronmaschinen mit Permanentmagneten seien um 30 bis 40 Prozent leichter als vergleichbare Maschinen herkömmlicher Bauart. Zugleich seien sie um ein Viertel kleiner. Zudem kämen sie auf einen Wirkungsgrad von 98 Prozent und lägen damit über den heutigen Synchronmaschinen, die 97 Prozent erreichen, und erst recht über den Asynchronmaschinen mit 95 bis 96 Prozent.
Doch noch wichtiger ist oft ein anderer Vorteil: „In der Gondel der Windkraftanlage muss weniger Abwärme abgeführt werden“, sagt Hannemann. Auch das lässt sich leicht quantifizieren: Bei einer Anlage mit 2 Megawatt Leistung bedeutet ein um einen Prozentpunkt verringerter Verlust eine um 20 Kilowatt reduzierte Abwärmelast. Das ist auf dem engen Raum eine ganz ordentliche Menge.
Auch Thomas Scheermesser, Ingenieur an der RWTH Aachen, findet daher das neue Generatorenkonzept „allemal interessant“. Allerdings schränkt er ein, dass die Permanentmagneten bei zu starker Erwärmung entmagnetisiert werden. Ein Höchstwert von 80 bis 90 Grad gilt in der Wissenschaft als Richtwert. In Generatoren von Windkraftanlagen werden diese Werte nicht erreicht, in anderen Einsatzbereichen mitunter schon – daher werden die neuen Generatoren stets nur ein Produkt für ausgewählte Kraftwerkssparten bleiben.
Welche Rolle das neue Generatorkonzept künftig spielen wird, trauen sich die Ingenieure jedoch derzeit kaum einzuschätzen. Aus technischer Sicht habe das Prinzip große Chancen, bestätigt auch Manfred Rentmeister vom Institut für elektrische Maschinen und Antriebstechnik an der TU Graz. Doch wie sich der Markt tatsächlich entwickeln wird, sei „schwer abzuschätzen“, weil die neuen Maschinen bislang noch teurer sind.
Die Windkrafthersteller allerdings zögern noch. Marktführer Enercon lässt wissen, man arbeite nicht mit Permanentmagneten, weil diese „im technischen Handling“ aufwendiger seien. Zudem sei das notwendige Material „so speziell, dass hohe Kosten und Lieferengpässe zu befürchten“ seien. Auch bei Nordex sieht man „heute keinen Handlungsbedarf. Schließlich sei die Anwendung der gängigen, „doppelt gespeisten Asynchron-Generatoren State of the Art“. Und bei GE Wind Energy gibt man sich abwartend: Es müssten „die Vor- und Nachteile noch genauer erörtert werden“.