: Auf dem Irrweg
Beirat des Wirtschaftsministeriums haut Clement Entwurf zur Liberalisierung des Presse-Kartellrechts um die Ohren
Holtzbrinck-Anwalt Rainer Bechthold war in seinem Element: „Ich will mal versuchen zu erläutern, wie das Gesetz zu verstehen ist. Ich traue mir das zu …“ Das mochte man gerne glauben, schließlich ging es um die am Mittwoch vom Kabinett beschlossene Liberalisierung des besonderen Kartellrechts für die Presse, die wegen der eindeutigen Vorteile für das Stuttgarter Verlagshaus auch unter Lex Holtzbrinck firmiert.
Doch als Bechthold zum Ende der von der FDP-Bundestagsfraktion veranstalteten Anhörung die geplante Gesetzesänderung nochmal in den höchsten Tönen lobte, hatten längst andere ein vernichtendes Urteil gesprochen: Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit „sieht in diesem Rechtsvorhaben einen Irrweg. Er empfiehlt, am bisherigen Rechtszustand festzuhalten“, formulierten die insgesamt 28 an dem Gutachten beteiligten Professoren so höflich wie bestimmt an die Adresse von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD).
Bei der Präsentation wurde der Beiratsvorsitzende Wernhard Möschel, Handelsrechtsprofessor aus Tübingen, dann deutlicher: Eine „wettbewerbspolitische Lachnummer“ sei der Kabinettsentwurf, der weitgehende Kooperationen und Übernahmen von Zeitungen erlauben will, um so publizistische Vielfalt zu sichern.
Auch Clements Koalitionspartner bleibt beim klaren Nein: „Die vorgeschlagenen Regelungen zur Pressefusionskontrolle werden zu Konzentration bei den Zeitungen führen“, so die medien- bzw. wirtschaftspolitischen Sprecher der Grünen, Grietje Bettin und Werner Schulz: „Die Möglichkeiten des Bundeskartellamtes, gegen die Schaffung von Monopolen vorzugehen, werden drastisch reduziert.“ Dem hielt im FDP-Hearing Eberhard Ebner, Verleger der Südwest Presse (Ulm), eine relativ eigenwillige Argumentation entgegen: „Wir haben ja keine wirkliche Wettbewerbsvielfalt“, Deutschland sei im Zeitungsbereich schon heute eine „Aneinanderreihung von Monopolen“.
Damit hat der Mittelständler Ebner zwar Recht (siehe Einzeitungskreis-Kasten). Unklar bleibt aber, was diese Erkenntnis mit Blick auf die Kartellnovelle besagt. Nach Einschätzung aller Beteiligten würde sie zu weiterer Konzentration im Zeitungsmarkt führen.
Die Konfliktlinien laufen derzeit eher zwischen den Verlegervertretern, die diese Entwicklung wegen der Zeitungskrise für unvermeidlich halten und auf die Leier „Nur große Einheiten können überleben“ setzen. Und Branchenvertretern wie FAZ-Geschäftsführer Wolfgang Bernhardt, der im Gesetzentwurf „Schleusen geöffnet“ sieht, die besser zublieben: „Nach unserer Meinung kann das Gesetz so bleiben, wie es ist“, sagte Bernhard und räumte endlich auf mit dem Mythos vom einmütigen Votum des Verlegerverbands BDZV für die Kartellnovelle: Das, so das BDZV-Mitglied FAZ, sei doch nur eine „Schein-Einstimmigkeit“ gewesen. STEFFEN GRIMBERG