Dem Haar an die Wurzel

Eine Ausstellung im Technikmuseum widmet sich der toten Materie auf dem menschlichen Kopf

von BEATE WAGNER

Eine Analyse seiner geligen Haarpracht lüftete kürzlich das Geheimnis: Friedman kokst. Abgesehen von solch medial wirksamen Skandalen stehen Haare sonst jedoch eher selten im Rampenlicht. Ganz anders im neuen Ausstellungsbereich des Technikmuseums. Dort kann man sich durch multimediale Präsentationen, Experimente und Workshops wühlen und beispielsweise erfahren, dass Friedman nicht allein ist: Auch an peruanischen Mumien wurde mittels Haaranalyse 4.000 Jahre zurückliegender Kokainkonsum nachgewiesen.

Konzeptioniert hat die Ausstellung das Pariser Museum La Cité des Sciences et de l’Industrie zusammen mit einem Kosmetikkonzern. Sie bombardieren die Besucher mit haarigen Fakten – aufgeteilt in vier Themenbereiche und mehrere Selbstexperimente mit dem einzig natürlichen Körperschmuck.

So wachsen die durchschnittlich 0,1 Millimeter dicken, etwa 120.000 Exemplare monatlich einen guten Zentimeter auf dem menschlichem Haupt. 50 bis 100 von ihnen verliert man täglich, 23.000 kommen bei einer Jahreshaaresernte zusammen. Und ein Trost: Graufarbige Haare gibt es, zumindest wissenschaftlich gesehen, gar nicht. Mit zunehmendem Alter bilden sich vielmehr Pigmentlöcher im Horngeflecht. Das sieht dann zwar grau aus, aber ein Rest der ursprünglichen Farbe bleibt.

Die Wissenschaft lüftet ein weiteres Geheimnis der bis auf die Haarwurzel abgestorbenen Zellen. Ein Zoom per Videomikroskop ins eigene Haar zeigt die ominöse Materie in tausendfacher Vergrößerung. Auch eine persönliche Haaranalyse ist möglich, für den genetischen Fingerabdruck oder die Recherche nach eigens konsumierten Drogen reicht die Methode jedoch leider nicht.

Wer sich aber über die biochemische Beschaffenheit der Haarzellen informieren will, erlebt ein Spektakel sich aufbäumender schützender Schuppenschichten über fasrigen Proteinketten. Darin eingelagertes Keratin und das Farbpigment Melanin schießen durch die Molekülnetze wie Satelliten durchs All.

Wie hart diese Zellen täglich von Shampoos, Kunstfarben oder aggressiven Oxidationsmitteln für beispielsweise eine Dauerwelle beschossen werden, zeigt ein Film. Doch nicht nur gegen körperfremde Stoffe hat das Haar zu kämpfen. Zwei von drei europäischen Männern ab 50 verfügen über zu viele männliche Geschlechtshormone, die die auf dem Gipfel des männlichen Skalps befindlichen Haarfollikel zu vermehrtem Ausfall animieren. Übrig bleibt der berüchtigte Haarkranz. Im asiatischen Raum findet man diese Altherrenfrisur übrigens deutlich seltener.

Zum Glück für die spärlich Behaarten wird heute vor allem ganzen Kerlen mit Glatze eine besonders hohe sexuelle Aktivität nachgesagt. Im Altertum hätten sie nicht nur alt, sondern auch schlapp ausgesehen. Denn in der grichischen Mythologie trugen besonders kräftige Männer langes Haar.

Eine entsprechende Verwandlung kann in der Ausstellung getestet werden. Im so genannten Metamorphose-Raum warten der schwarzhaarige Kleopatra-Pagenkopf, weiß gepuderte Mozartzöpfe, die Elvis-Tolle, eine hippe Vokuhila oder afrikanische Rasterzöpfe auf neue Gesichter: Jeder darf hier am Computer mal so richtig mutig sein und sich für kurze Zeit ein neues Outfit aus den vierzig verschiedenen virtuelle Frisuren basteln. Was am schicksten, schrägsten oder hässlichsten rüberkommt, wird dem Besucher dann ausgedruckt für den nächsten Friseurtermin mitgegeben.

„Phänomen Haar“, bis 19. Oktober im Deutschen Technikmuseum, Trebbiner Str. 9, Kreuzberg. Geöffnet: Di.–Fr. 9–17.30 Uhr, Sa. und So. 10–18 Uhr. In den Sommerferien werden drei verschiedene Workshops angeboten, ab 21. August können Schulklassen einzelne Programme buchen.