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Archiv-Artikel

Neuer Regierungschef nominiert

Nach der Absage des Atomwissenschaftlers Hussain Schahristani als Regierungschef gerät das Konzept von UNO und USA für die irakische Übergangsregierung ins Wanken

GENF taz ■ Der von den USA eingesetzte provisorische Rat in Bagdad hat sein Mitglied Ajad Allawi gestern einstimmig als Chef einer künftigen Interimsregierung ab 30. Juni nominiert. Ein Sprecher Allawis sagte, die Nominierung finde auch die Zustimmung des UNO-Sonderbeauftragten für Irak, Laktar Brahimi.

Allawi, Chef der zumindest zu früheren Exilzeiten vom CIA finanzierten Organisation „Iraqi National Accord“, gehörte nach Informationen aus der Umgebung von Brahimi zu den schiitischen Parteipolitikern, deren Widerstand gegen den parteilosen schiitischen Nuklearwissenschaftler Hussain Schahristani diesen Mitte dieser Woche dazu bewogen hatte, auf den Posten des Regierungschefs zu verzichten. Zunächst waren persönliche Motive für den Verzicht vermutet worden.

Brahimi, der sich gemeinsam mit dem US-Botschafter Robert Blackwill seit Wochen um die Bildung einer 26-köpfigen Regierung und eines dreiköpfigen Präsidentschaftsrats bemüht, hatte Schahristani das Amt des Regierungschefs angetragen. Durch eine – möglicherweise gezielte –Indiskretion aus der Bush-Administration war sein Name Anfang der Woche öffentlich geworden. In der UNO wird inzwischen nicht mehr ausgeschlossen, dass sich die bislang noch für spätestens Pfingstmontag angekündigte Vorlage der kompletten Liste mit 29 Namen um Tage, wenn nicht Wochen verzögern wird.

Neben Allawi hatten auch Adel Abdel-Mehdi vom „Obersten Rat für die Islamische Revolution im Irak“, der Chef der Dawa-Partei, Ibrahim Jafari, sowie der lange Jahre vom Pentagon finanzierte, aber kürzlich in Ungnade gefallene Vorsitzende des Irakischen Nationalkongresses, Achmed Chalabi, Einwände gegen Schahristani erhoben. Ihr Argument: Der Nuklearwissenschaftler verfüge „nicht über den politischen Hintergrund und die Erfahrungen“, die zur Lösung der aktuellen Probleme im Irak erforderlich seien.

Spätestens mit dem erzwungenen Rückzug von Schahristani ist auch grundsätzlich das Konzept Brahimis gescheitert, die 26-köpfige Regierung ausschließlich oder zumindest ganz überwiegend mit Technokraten und Experten zu besetzen und nicht nach den Kriterien parteipolitischer, religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit. Diese Kriterien sollten lediglich bei der Besetzung der – nicht mit exekutiver Befugnis ausgestatteten – dreiköpfigen Präsidentschaft ausschlaggebend sein.

Brahimi wollte das Präsidentenamt mit einem Sunniten besetzen und die beiden Stellvertreterposten mit einem Kurden und einem Schiiten. Außerdem sollten die Kurden, die wie die Sunniten etwa 20 Prozent der irakischen Bevölkerung stellen, zwei der vier wichtigsten Ministerposten erhalten. Nachdem die kurdischen Parteien diese Formel zunächst akzeptiert hatten, bestehen sie inzwischen wieder darauf, einen der beiden Spitzenposten zu erhalten.

ANDREAS ZUMACH