: Kalif brav, Union scharf
Am Pfingstmontag hat sich Metin Kaplan ganz ordnungsgemäß bei der Polizei gemeldet. Trotzdem rufen Unionspolitiker unverdrossen nach schärferen Gesetzen. Doch neue Paragrafen würden die Lage im Fall Kaplan gar nicht ändern
VON CHRISTIAN RATH
Der „Kalif“ ist wieder da. Montag früh kurz vor ein Uhr meldete er sich auf der Polizeiwache von Köln-Chorweiler. Also die ganze Aufregung umsonst? Die Union sieht das anders. Unter Berufung auf den Fall Kaplan versuchte sie am Pfingstwochenende den Kompromiss zum Zuwanderungsgesetz nachzuverhandeln. So sagte der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), er werde dem Zuwanderungsgesetz nur zustimmen, wenn Hassprediger wie Kaplan „ausgewiesen werden“.
Da hat Stoiber allerdings Ausweisung und Abschiebung verwechselt. Die Ausweisung, also die Beendigung des rechtmäßigen Aufenthalts, ist längst erledigt. Weil Kaplan vier Jahre im Gefängnis saß, nachdem er zum Mord an einem Rivalen aufgerufen hatte, war er zwingend auszuweisen.
Woran es hakt, ist die Abschiebung, also die räumliche Verbringung in die Türkei. Hier ist noch zu klären, ob es ein Abschiebehindernis darstellt, wenn in der Türkei ein Prozess mit erfolterten Zeugenaussagen droht. Das Kölner Verwaltungsgericht hat diese Frage bejaht, das Oberverwaltungsgericht Münster hat dies verneint, aber die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen. Es ist zwar unter Juristen umstritten, ob die Revision aufschiebende Wirkung hat. Doch spricht viel dafür, weil sonst vollendete Tatsachen geschaffen würden.
Deshalb hat auch das Verwaltungsgericht Köln einen vorläufigen Aufschub der Abschiebung um weitere zwei Monate angeordnet. Eine Verschärfung der Ausweisungsvorschriften, etwa die Anordnung zwingender Ausweisung nach einer einjährigen statt bisher dreijährigen Haftstrafe, würde daran überhaupt nichts ändern.
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel legte den Schwerpunkt dagegen auf die Einführung einer „Sicherungshaft“. Eigentlich war das ein Vorschlag von Innenminister Otto Schily (SPD). Inhaftiert werden sollten gefährliche Ausländer, die zwar ausgewiesen wurden, aber aus humanitären Gründen nicht abgeschoben werden können.
Auf Leute wie Kaplan passt der Vorschlag aber gerade nicht, denn die Idee der Präventivhaft richtet sich gegen Terrorgefahren – und es gibt keine Anzeichen dafür, dass Kaplan derzeit Terroranschläge plant. Für die Kölner Polizei galt der Kalif sogar als so ungefährlich, dass sie nicht einmal eine Rechtsgrundlage fand, ihn länger als 24 Stunden zu observieren. Eine Sicherungshaft für Ausländer, deren Anwesenheit die Politik „unerträglich“ findet, wurde bisher nicht diskutiert.
Bereits jetzt gibt es die Abschiebehaft, mit der eine bevorstehende Abschiebung gesichert werden soll. Voraussetzung ist ein „begründeter Verdacht“, dass Kaplan sich einer Abschiebung entziehen werde. Das hat der Kölner Haftrichter nach dem Münsteraner Urteil am Donnerstag angenommen – obwohl sich Kaplan bisher stets ordnungsgemäß bei der Polizei gemeldet hat. Allerdings musste der Haftbefehl wieder aufgehoben werden. Abschiebehaft ist laut Gesetz unzulässig, wenn sie nicht binnen drei Monaten vollziehbar ist, und zwar aus Gründen, „die der Ausländer nicht zu vertreten hat“. Im Fall Kaplan dürfte die Klärung, ob ein Abschiebehindernis vorliegt, wohl noch deutlich mehr als drei Monate in Anspruch nehmen.
Konsequent ist daher der dritte Vorstoß von Stoiber und Beckstein. Mit Leuten wie Kaplan solle „kurzer Prozess“ gemacht werden, sagte Stoiber. Den viel zu komplizierten Rechtsschutz bemängelte Beckstein. Tatsächlich soll bereits durch den Zuwanderungskompromiss ein Schnellverfahren eingeführt werden. Es sieht eine „Abschiebungsanordnung“ vor, die Ausweisung und Abschiebung zusammenfasst. Außerdem soll diese Anordnung nur noch in einer Instanz, beim Bundesverwaltungsgericht, überprüft werden.
Vorgesehen ist dieses Verfahren allerdings nur zur Abwehr einer „terroristischen Gefahr“ oder einer sonstigen bedeutenden Gefahr für den Staat. Von Kaplan geht derzeit aber weder eine terroristische, noch eine sonstige bedeutende Gefahr aus. Und die Ausweitung des Schnellverfahrens auf alle Abschiebefälle wäre nicht nur unangemessen, sondern würde auch das Bundesverwaltungsgericht bald überfordern.
Offenbar ist Metin Kaplan ganz einfach das falsche Objekt, um an ihm den starken Anti-Terror-Staat zu demonstrieren.